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Der Körper und das Cockpit

27. April 2015

Dr. Johannes Manhart (l.) und Dr. Ulrich Hammer kennen sich nicht nur mit physikalischen Phänomen bei Papierflügen aus.

Rechtsmediziner und Pilot berichten bei der Wissensnacht, wie der menschliche Körper im Flug an seine Grenzen stößt.

 Mit einem luftigen Thema warten die Spezialisten der Rostocker Rechtsmedizin in der Langen Nacht der Wissenschaften am 7. Mai auf. „Wir wurden leider auf schreckliche Weise von der Realität überholt“, sagt Dr. Ulrich Hammer mit Blick auf den Absturz der Germanwings-Maschine in den französischen Alpen. Doch nicht um die belastete Psyche der Piloten gehe es bei der Präsentation im Audimax, sondern um die Grenzen der biologischen Systeme in der Höhe.
Bei einer Handvoll Flugunfällen im Jahr im westlichen Mecklenburg-Vorpommern begutachten die Rechtsmediziner die Verletzungen der Opfer. Deren Körper seien meist „schwer zerstört“, berichtet Hammer. Das Auftreffen einer Maschine auf den Boden führe bei Insassen oft zum Polytrauma – sehr vielen schweren Verletzungen, die zum Tode führen. Gab es einen Aufschlagbrand, stehen die Experten dagegen vor der Herausforderung, Befunde an häufig vollständig verkohlten Körpern zu erheben.
Gruselbilder erwarten die Zuhörer im Hörsaal jedoch nicht. Es geht um die Lebenden: Mediziner Dr. Johannes Manhart und Martin Schell, Jetpilot bei der Luftwaffe in Laage, stellen dar, wie sich physikalische Gesetzmäßigkeiten in der Höhe ändern und wie Piloten darauf reagieren. In Militärflugzeugen sei die Belastung für den Körper besonders hoch, so Manhart: „Die Temperatur steigt oder sinkt, etwa wenn die Klimaanlage ausfällt. Der Sauerstoffanteil in der Atemluft kann kleiner werden, der Druck abfallen. Das Flugzeug wird beschleunigt oder verlangsamt. Wie der Organismus darauf reagiert, wollen wir erzählen“, sagt Manhart. 
Wirkt eine extreme Beschleunigung auf einen Menschen ein, wird zum Beispiel das Blutvolumen in die Wirkrichtung verschoben. Der Körper beginnt mit der Gegenregulation, um wichtige Organe zu schützen. Nimmt der Jetpilot ein Abfang-Manöver vor, wirkt kurz ein Vielfaches der Erdbeschleunigung (bis 9 g) auf seinen Körper. Während ein normaler Mensch bewusstlos würde, bewahrt ein Anzug den Piloten davor. „Er liegt eng an und wirkt so der Massenträgheit von Organen und Körperflüssigkeiten entgegen.“
Die Laager Piloten haben vor ihrer Audimax-Präsentation gemessen, wie hoch die Beschleunigung ausfällt, wenn man sich mit Schwung aus dem Stand in einen Stuhl zurückfallen lässt. Ergebnis: Bis zu 3,5 g werden dabei mitunter erreicht. „Diesen Test könnten wir auch gern mit dem Publikum starten“, sagt Dr. Manhart und lacht.
Dass man nach Unfällen die Verletzungen der Opfer akribisch untersucht, hat für Dr. Hammer immer gute Gründe: „Manchmal ergibt die Befundung noch Überraschungen über Vorerkrankungen. Und: Unsere Erkenntnisse sind Grundlage für Erklärungsmöglichkeiten, die Hinterbliebene geradezu aufsaugen.“

 

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