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Die richtigen Worte finden: Medizinstudenten üben heikle Gespräche

13. July 2015

Fassung bewahren: Medizinstudent Christopher Tesch (27) übt mit der aufgeregten Simulationspatientin Lena Wagner (25).

Kommunikationstraining an Kinderklinik / Schauspieler mimen Patienten und Angehörige

„Ich verstehe nicht, wie das passieren kann“, sagt die Mutter empört. „Ich komme morgens zu meinem kleinen Paul ins Patientenzimmer und sehe, dass sein Arm dick angeschwollen ist.“ Im Klinikalltag eine nicht unübliche Komplikation von Infusionen, doch die Mutter ist besorgt. Sie gestikuliert aufgebracht, verschränkt dann die Arme. Der junge Arzt hält einen Moment inne. Atmet durch. Und entgegnet schließlich mit ruhiger Stimme: „Ich verstehe, dass die Situation für Sie sehr belastend ist. Das tut mir leid. Aber wir tun alles, damit es Ihrem Sohn schnell wieder besser geht.“ 

Der Arzt ist eigentlich noch kein Arzt, sondern Medizinstudent, die wütende Mutter eine Laien-Schauspielerin. Die Situation spielt sich in einem Seminar an der Kinder- und Jugendklinik der Rostocker Universitätsmedizin ab. Studenten des zehnten Semesters üben das Gespräch mit den Angehörigen kranker Kinder. Ein Projekt des Rostocker Mediziner Trainingszentrums, kurz RoMeTz, der Unimedizin. Die Kurse wurden in diesem Semester zum ersten Mal an der Kinderklinik durchgeführt. An anderen Einrichtungen wie Psychosomatik und Rechtsmedizin laufen sie schon länger. „Vielen Studenten fällt es schwer, mit Patienten zu reden“, sagt Projektmitarbeiterin Erzsébet Matthes. „Es treffen zwei Parteien aufeinander, die sich gar nicht kennen und trotzdem geht es mitunter um Themen, die über Leben und Tod entscheiden. Da kann einiges schiefgehen.“

In den Kursen trainieren die Studenten Gesprächssituationen, die später in der Klinik tagtäglich vorkommen können – aufgebrachte Angehörige, verzweifelte Eltern, Patienten, die ihre Diagnose nicht akzeptieren wollen. Die rund 40 Profi- und Laiendarsteller, die in die Rolle der Betroffenen schlüpfen, werden vor den Trainings geschult und reagieren spontan auf die Äußerungen der Studenten. Ein Drehbuch gibt es nicht. Kommilitonen, Dozenten und Kommunikationsexperten beobachten das Gespräch und bewerten es anschließend. Auch die Simulationspatienten berichten, wie sie sich gefühlt haben. Lena Wagner, die an diesem Tag die besorgte Mutter mimt, meldet dem Medizinstudenten Christopher Tesch zurück: „Du hast Dich nicht aus der Ruhe bringen lassen und mir alles geduldig erklärt. Das hat mich überzeugt.“ Gar nicht so einfach, räumt der angehende Mediziner ein: „Zuerst dachte ich, so eine Komplikation kommt schon mal vor und ist eigentlich gar nicht so wild. Bis mir klar wurde: Für die Eltern ist das natürlich wild, vor allem bei einem dreijährigen Kind.“

Empathie zeigen und auf den Patienten eingehen – das ist anfangs für viele Studenten schwer, sagt auch Prof. Dr. Carl Friedrich Classen, Oberarzt und Dozent an der Kinderklinik. „Wie man als Arzt mit dem Patienten spricht, kann man nicht in Vorlesungen lernen“, so der Experte. „Auch wenn im Gespräch schon mal die Kompetenz in Frage gestellt wird, darf man sich nicht mitreißen lassen. Als Ärzte müssen wir zeigen: Wir stehen auf der Seite des Patienten und teilen sein Leid.“

Bisher ist das Thema Kommunikation nur am Anfang des Medizinstudiums im Stundenplan verankert – im Studium der Zahnmedizin taucht es gar nicht auf. Das soll sich ändern: In Mecklenburg-Vorpommern wird das Curriculum derzeit überarbeitet. „Bis die neuen Strukturen beschlossen und umgesetzt sind, wird es noch ein Weilchen dauern“, sagt Matthes. „So lange wollen wir nicht warten. Wir machen jetzt was.“

 

Vom Bildungsministerium gefördert

Ins Leben gerufen wurde RoMeTz 2013 an der Universitätsmedizin Rostock vom Institut für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie (IMPMS) unter Leitung von Prof. Dr. Peter Kropp. Rund 1000 Studenten haben seither die ärztliche Gesprächsführung trainiert. Gemeinsam mit dem Institut für Allgemeinmedizin führt das IMPMS jetzt auch im klinischen Abschnitt des Studiums die Trainings durch. Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.