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Immer mehr Betroffene in Opferambulanz der Unimedizin

28. July 2016

Anne Port und Verena Blaas (v.l.) bei der Befundsicherung. Foto: Uni Rostock/Thomas Rahr

Spezialisten dokumentieren auch anonym Befunde

Immer mehr Opfer von Gewalt nutzen die Möglichkeit, sich durch einen Rechtsmediziner der Rostocker Unimedizin beraten und untersuchen zu lassen. Zwischen Januar und Juli 2016 kamen bereits 110 Betroffene in die Opferambulanz des Instituts für Rechtsmedizin - so viele wie im gesamten letzten Jahr. Sachkundigen Ärzten dokumentieren kostenlos die Verletzungen, falls nicht gleich Anzeige erstattet wurde.

„Die meisten Überfälle passieren im engen sozialen Umfeld, meist durch den Ehe- oder Lebenspartner. Aber auch das Jugendamt stellt Kinder vor, bei denen ein Verdacht auf Misshandlung oder Vernachlässigung besteht“, sagt Ärztin Verena Blaas. Ihre Kollegin Anne Port verweist auf Beteiligte von Schlägereien oder Übergriffen sonstiger Art. Oft bestehe für Betroffene eine hohe Hemmschwelle, ihre Rechte unvermittelt wahrzunehmen und sofort zur Polizei zu gehen. Falls sie sich erst später zu diesem Schritt entscheiden, sei eine gerichtsverwertbare Beweissicherung notwendig.

Die leistet die Opferambulanz. Dort werden beispielsweise Schürfungen, Rötungen, Hautunterblutungen, Verätzungen und Verbrennungen dokumentiert sowie sonstige Spuren und Beweise anonym gesichert, falls gewünscht. So können die Betroffenen auch zu einem späteren beliebigen Zeitpunkt den Rechtsweg beschreiten.

„Es kommen aber auch Personen zu uns, die sich selbst verletzt haben und ihre ganz eigenen Ziele verfolgen, das Angebot also missbräuchlich nutzen“, sagt Anne Port. Sie und das Team der Rechtsmedizin haben für solche Fälle geschulte Augen. „Die Befundmuster für das Selbst- oder Fremdzufügen von Verletzungen sind charakteristisch“, so die Medizinerin. Mit dem Dokumentieren allein sei es jedoch nicht getan. Allein im letzten Jahr haben die Spezialisten über 70 Fortbildungsveranstaltungen für Studenten, Jugendamtsmitarbeiter, aber auch Hebammen und Polizisten im Land bestritten. Die Themen sind breit gefächert. Neben dem Erkennen von Misshandlungen geht es auch um knifflige rechtliche Fragen und um die Schweigepflicht. 

Die Rostocker Opferambulanz ist 2009 gestartet und wurde zwischenzeitlich mit viel Engagement ehrenamtlich aufrechterhalten. Sozialministerin Birgit Hesse würdigt die Arbeit der Rostocker Rechtsmediziner: „Seit 2014 konnten wir die hervorragende Arbeit der Opferambulanzen an den Rechtsmedizinischen Instituten der Universitäten in Greifswald und Rostock mit zusammen 60 000 Euro jährlich aus dem Haushalt des Landes und zusätzlichen Mitteln für Öffentlichkeitsarbeit unterstützen“, betont die Ministerin. „Dass Opfer von Gewalt weiterhin die Opferschutzambulanzen für freiwillige Befunddokumentationen in Anspruch nehmen, ist für mich ein wesentlicher Bestandteil des Opferschutzes. Auch die Jugendämter veranlassen inzwischen zunehmend Begutachtungen. Das ist zusätzlich Ausdruck der hohen Qualität und damit des Erfolgs der Einrichtung der Opferambulanzen.“

Text: WOLFGANG THIEL