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Lernen fürs Leben an der „Schule für Kranke“

04. October 2016

Seit 15 Jahren dabei: Schulleiter Dr. Michael Burgert.

Deutsch, Mathe und Englisch sorgen für Normalität bei jungen Patienten

Kranksein und Schulbesuch schließen sich nicht aus. Das beweist seit 51 Jahren die Heinrich-Hoffmann-Schule in Rostock – eine von zwei „Schulen für Kranke“, die es in Mecklenburg-Vorpommern gibt. 20 Lehrer unterrichten jährlich rund 800 kranke Kinder und Jugendliche während ihres Aufenthalts in der Unimedizin Rostock und weiteren medizinischen Einrichtungen. Sie soll den jungen Patienten auch während ihrer Krankheit ein Gefühl von Alltag und Normalität ermöglichen.

„Wir sorgen dafür, dass die Kinder und Jugendlichen den Anschluss an den Stoff in ihren Heimatschulen nicht verlieren“, erklärt Schulleiter Dr. Michael Burgert. „Bei manchen ist durch die körperliche oder psychische Erkrankung der Faden schon abgerissen. Dort holen wir sie ab.“

Die Lehrer sind an der Unimedizin an mehreren Standorten im Einsatz. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie in Gehlsdorf gibt es ein eigenes Schulgebäude, in dem die Patienten in kleinen Gruppen lernen. „Dort gibt es viele Schüler, die länger in der Klinik bleiben oder regelmäßig wiederkommen. Diese Kinder erhalten bei uns etwa sechs Schulwochen lang Unterricht in Deutsch, Mathe, Englisch und einigen Naturwissenschaften.“

Da die Gruppen kleiner sind als an normalen Schulen, gibt es keine abgegrenzten Klassen und Klassenstufen; der Unterricht erfolgt alters- und schultypübergreifend. „Alle bearbeiten das gleiche Thema, aber mit unterschiedlichem Leistungsanspruch“, so Burgert. In der Schule gehe es aber nicht nur darum, Formeln zu verinnerlichen und Gedichte zu interpretieren. „Wir haben auch ein breites Angebot zur Freizeitgestaltung wie Töpferkurse, unseren Schülerclub, Sport und verschiedene Feste. In der Vorweihnachtszeit gehen wir alle ins Theater und erleben eine große Weihnachtsfeier.“

Auch in der Kinder- und Jugendklinik auf dem Campus Schillingallee rauchen die Köpfe. Die kleinen Patienten verbringen dort meist kürzere Zeitabschnitte auf einer Station, dafür immer wieder, oft über Monate. „Wegen der teils schweren körperlichen Erkrankungen findet der Unterricht meist direkt am Bett statt“, erklärt Burgert. „In Behandlungspausen besuchen wir einige Patienten auch zu Hause.“ Dass dieses kleine Stück Normalität vielen Kindern und Jugendlichen durch die harte Zeit hilft, bestätigt Prof. Carl Friedrich Classen, Chef der Kinderonkologie. „Gerade schwerkranke Kinder wollen unbedingt zur Schule, weil sie sich oft ausgeschlossen fühlen“, sagt er. „Sie sind von ihren Freunden getrennt und fühlen sich in die Rolle des Opfers gedrängt, mit dem etwas passiert, das man nicht beeinflussen kann. Der Unterricht fängt sie auf und gibt ihnen wieder das Gefühl, dass sie etwas leisten können.“

Die Arbeit mit kranken Kindern – für die Lehrer der Schule keine leichte Aufgabe. Um sich auf jeden Schüler einstellen zu können, nehmen die Pädagogen regelmäßig an Falbesprechungen auf den Stationen teil und stehen im regen Austausch mit der Klinik. „So wissen wir, worauf wir achten müssen und können einschätzen, ob sich eine Therapie auf das Lernen und Verhalten auswirkt“, so Michael Burgert. „Am Ende geben wir den Eltern und Heimatschulen Anregungen, wie es nach dem Klinikaufenthalt weitergehen kann.“ Im Prinzip unterrichte seine Schule Schüler, die es an normalen Schulen auch gibt, findet er. Nur eben nicht in dieser Konzentration. „Natürlich ist diese Arbeit mit kranken Kindern anspruchsvoll. Aber auffälliges Verhalten ordnen wir anders ein und nehmen vieles nicht gleich als Störung wahr. Das hilft auch den Kindern.“