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Arbeitsgruppe entziffert handgeschriebenes Buch mit medizinischen Rezepten

20. October 2014

240 Seiten ist es lang, ein Büchlein aus dem 16. Jahrhundert, mit Hand geschrieben von Dr. Peter Besler. Im November 1919 wurde es für fünf Mark durch die Universitätsbibliothek Rostock erworben.

Heute bereitet es Studenten um Prof. Dr. Hans-Uwe Lammel, Leiter des Arbeitsbereichs Geschichte der Medizin, Kopfzerbrechen: Sie wollen der Schrift auf den Grund gehen, den Text editieren und so für Forscher und Laien lesbar machen.

 

Die Studenten begannen damit 2013 in einem Seminar von Lammel und Prof. Dr. Ursula Götz vom Institut für Germanistik. „Am Ende hatten wir rund 40 Seiten bearbeitet“, erinnert sich Stefanie Russow, eine der damaligen Teilnehmerinnen. „Damit waren wir nicht zufrieden. Also haben wir eine Arbeitsgruppe gegründet.“ Gemeinsam mit den Professoren suchen seither vier Studenten nach Sinn und Unsinn in der Besler-Schrift. Niedergeschrieben sind in dem „büchlein von mancherley wassernn und kreuternn“ Rezepte gegen so ziemlich jede körperliche Beschwerde: von Rosenöl gegen Kopfweh bis Kümmel gegen Bauchschmerzen. „Wir wollen herausfinden, ob die Mittelchen geholfen haben“, sagt Russow. „Nicht im Selbstversuch - wir ziehen medizinisches Wissen heran.“

 

Nicht immer seien die Formulierungen klar zu deuten, auch die Schrift mitunter „schludrig“. Vieles sei eine Frage der Interpretation - und das fange schon bei den Buchstaben an: „Es wird viel diskutiert“, sagt Russow. „Wir müssen genau sein, aber irgendwann auch mal einen Schlussstrich ziehen. Daher haben wir uns auf Editionsgrundlagen geeinigt und festgelegt, ab wann wir sagen: Das ist jetzt ein j und kein i.“ Da es zu Beslers Zeiten noch keine einheitliche Rechtschreibung gab, schrieb jeder so, wie er es sich dachte. Konsonantendopplungen, wie im Titel des Buches, seien daher keine Seltenheit. „Wenn ich den ganzen Tag mit dem Büchlein gearbeitet habe, schreibe ich abends schon selbst so“, gibt Russow zu.

 

Doch wer war der Autor eigentlich? „Das ist eines der größten Rätsel für uns. Wir wissen so viel: Er hat einen Doktortitel, muss also studiert haben. Wir haben schon in den historischen Studenten-Verzeichnissen vieler Universitäten gesucht, konnten ihn aber nicht ausfindig machen.“ In der Sprachform des Textes ließen sich jedoch vereinzelt Hinweise auf seine Herkunft finden: „Einen bestimmten Dialekt konnten wir nicht ausmachen. Sicher ist aber, dass der Text nicht niederdeutsch ist.“ Manche Wörter deuten auf eine Entstehung im Süden hin. An einer Stelle spreche Besler zum Beispiel von ‚Vesper‘ – ein Wort, das vor allem im süddeutschen Raum verbreitet ist. Für eine Herkunft aus Sachsen spreche wiederum der Einband: „Der wurde vermutlich dort hergestellt.“

 

Mehr als ein Jahr nach dem ersten Seminar hat die Gruppe etwa ein Drittel des Buchs gedeutet und sprachlich untersucht. Am Ende des Projekts soll eine digitale Edition mit medizin- und sprachhistorischen Kommentaren stehen. Und mit ihr ein kleiner Einblick in die Rezepturen und Mittelchen des 16 Jahrhunderts.