Der Flüchtlingsstrom Richtung Deutschland und damit auch nach MV ist vorerst etwas abgeebbt. Kein Grund für die Unimedizin Rostock, ihr Engagement der ersten Stunde komplett zurückzufahren: Die Flüchtlingseinrichtung Horst werden die Mitarbeiter weiterhin eng betreuen. „Wir sind mit mobilen Geräten im Einsatz, die über das Mobilfunknetz angebunden sind“, sagt Prof. Dr. Karlheinz Hauenstein, Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie.
Neuankömmlinge werden nach ihren langen Reisen allesamt auf Infektionskrankheiten wie Tuberkulose untersucht. Dazu wird ihr Brustkorb geröntgt. „Zeigen die Bilder Auffälligkeiten, wird bei uns gezielt nachuntersucht “, sagt Hauenstein. Im Sommer vergangenen Jahres, zum Höhepunkt des Flüchtlingsaufkommens, hatten die Mitarbeiter der Unimedizin täglich mehr als 100 Lungenaufnahmen aus Horst sowie den anderen Unterkünften in Stern-Buchholz und Mühlengeez angefertigt und ausgewertet. Nun schwankt die Zahl zwischen vier und 30 Untersuchungen pro Tag. Das schnelle Prozedere ist der Teleradiologie zu verdanken – der Befundung von Bildern aus der Ferne durch Spezialisten der Universitätsmedizin.
Die Unimedizin war in den Neunzigern Pionierin auf dem Gebiet: 1998 rief sie als größte medizinische Einrichtung des Landes die erste genehmigte Teleradiologie Deutschlands ins Leben. Zunächst ging es dabei um die Versorgung des Bad Doberaner Kreiskrankenhauses, das einen Computertomographen (CT) neu angeschafft hatte, aber niemanden, der sowohl die Untersuchung durchführen als auch die Bilder beurteilen konnte. Das Land wurde angefragt – und bald schon stand die erste teleradiologische Verbindung zwischen den Häusern. „Der Betrieb lief über ein Modem mit drei Leitungen“, entsinnt sich Hauenstein der einfachen, aber damals schon fortschrittlichen Anfänge. „Für die Übertragung von zwölf Kopf-Bildern brauchten wir zwölf Minuten.“ Heute werden 200 Bilder vom Schädel übertragen. Auflösung: bis zu 0,4 Millimeter, Dauer: weniger als eine Minute. „Die Bilder werden erstellt und sind auch gleich online“, so Hauenstein. „Die 56 kBit pro Sekunde Übertragungsrate sind Schnee von gestern. Heutzutage werden 100 MB Daten im Zeitraum eines Wimpernschlags zu den Spezialisten geschickt“, sagt Thomas Dehne, IT-Chef der Unimedizin, der den Teleradiologie-Server mit seinem Team betreut.
2000 Übertragungen gibt es heute pro Jahr allein aus Bad Doberan. Bald waren auch Ribnitz-Damgarten, Waldeck und andere Häuser, die über das mittlerweile gegründete landesweite Netz „Telerad MV“ anfragen, dazugekommen. Hirninfarkte, Querschnittslähmungen, orthopädische Fälle – die Experten der Unimedizin Rostock übernehmen am anderen Ende der Datenstrecke die fachkundige Befundung. Macht insgesamt 4000 betreute Untersuchungen pro Jahr. Manchmal ist auch nur eine Zweitmeinung angefordert; eine Möglichkeit, die zum Beispiel das Rostocker Klinikum Südstadt nutzt.
Die Fachärzte haben auch zu Hause Befundungsarbeitsplätze, an denen sie rund um die Uhr ihre Expertenaugen auf übertragene Bilder werfen können. Auch onkologische Praxen niedergelassener Kollegen aus dem Umland und die Medizinischen Versorgungszentren der Unimedizin sind an den Teleradiologie-Server angeschlossen.
„Telemedizin ist die Zukunft“, sagt Prof. Dr. Christian Schmidt, Ärztlicher Vorstand der Unimedizin. Er ist gerade dabei, die Region stärker mit seinem Haus zu vernetzen, um im Flächenland MV medizinische Versorgung auf höchstem Niveau auch in die entlegensten Flecken der Region zu bringen. „Sonst drohen die ländlichen Bereiche abgehängt zu werden. Jetzt schon sind einige Gegenden fatal unterversorgt“, sagt er. „Und das in einem Bundesland, in dem die Menschen immer älter werden.“
Kontakt: Prof. Dr. Karlheinz Hauenstein, Direktor des Instituts für Diagnostische und Interventionelle Radiologie, Tel.: 0381 494 9201