Die ergänzende Anwendung chinesischer Medizin - was wie ein exotisches Zusatzangebot anmutet, ist seit Jahren an der Unimedizin Rostock etabliert. Dr. Hans Lampe hat diesen Strang komplementärer Medizin vor acht Jahren ganz neu am Haus eingeführt. Seine Behandlung kann unterstützend wirken bei Patienten, die auf die Standardtherapie nicht ausreichend ansprechen. Das ist im Verlauf häufig bei onkologischen Patienten oder bei Frauen mit Regelbeschwerden hilfreich. Vor allem die überbordende Abgeschlagenheit, die sogenannte Fatigue, wie sie etwa nach Chemotherapien auftritt, könne mit chinesischer Medizin abgemildert werden, so der Internist und Onkologe.
Sprechen Patienten auf Therapiemaßnahmen nicht oder nicht mehr ausreichend an, kommt die chinesische Pharmakologie zum Einsatz. Fünf bis zehn Patienten pro Woche betreut Lampe neben seiner üblichen Sprechstunde in der onkologischen Poliklinik. "Viele Menschen machen wir so wieder therapiefähig", berichtet der Arzt. Und betont: Mehr sei nicht in jedem Falle mehr. Patienten, die gut auf eine Therapie ansprechen und diese ausreichend vertragen, sollten keine zusätzlichen Arzneistoffe oder Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen. Bei ihnen besteht das Risiko, dass die Wirkung der tumorwirksamen Therapie sich abschwächt. Es könne durchaus sein, dass sich der Patient subjektiv besser fühle, so Lampe - aber das zeige in Wirklichkeit nur, dass der Behandlung gerade effektiv die Wirksamkeit genommen werde.
Lampe hatte 2012 das Projekt "KOKON" (Kompetenznetz Komplementärmedizin in der Onkologie) mitinitiiert, das neben Verfahren der Naturheilkunde auch Methoden der chinesischen Medizin analysieren sollte. Ziel war die bessere Beratung von Patienten zu ergänzenden Behandlungsarten. Seit 2015 ist das von der Deutschen Krebshilfe mit 2,5 Millionen Euro geförderte Projekt abgeschlossen; entstanden ist die Internetplattform kokoninfo.de, auf der alle Maßnahmen von Akupunktur über Ginseng bis Yoga samt wissenschaftlichen Erkenntnissen zusammengestellt sind. "Es ist nutzbar für Patienten. Unser großes Ziel ist aber weiterhin, solche ergänzenden Beratungsangebote in die generelle kassenärztliche Versorgung zu bringen, um Wechselwirkungen frühzeitig zu erkennen und beratend eingreifen zu können.“
Hans Lampe spricht nicht gern von Traditioneller Chinesischer Medizin, wie sein Wirkungszweig noch bis vor ein paar Jahren gemeinhin tituliert wurde. "Sie ist ein sehr altes System, selbst die Chinesen verwahren sich inzwischen gegen die Bezeichnung. Schließlich hat sich dieses Feld enorm weiterentwickelt." Und die Deutschen - die dächten bei TCM stets an die Hausmarke des Handelsunternehmens Tchibo, merkt der Onkologe lächelnd an.
Die chinesische Medizin ist eine pharmakologische Therapie. Kräuter, Pflanzenauszüge, mannigfaltig kombiniert und auf den Patienten abgestimmt, bilden die Basis. Die Zutaten werden ausgekocht, um die Wirkstoffe zu extrahieren. Dann nehmen die Patienten sie zu sich. Die Rezepturen werden über Großhändler aus China importiert. "Die Reinheits- und Echtheitskontrolle übernehmen deutsche Institute, dann erst dürfen Apotheken die begutachtete Ware ins Sortiment nehmen", erzählt Lampe, der gerade auch in einer Stuttgarter Klinik die chinesische Medizin auf- und ausbaut. Die peniblen Kontrollen in Deutschland fänden vor einem ernsten Hintergrund statt. Vor Jahren habe eine Verwechslung von Pflanzen aufgrund eines ähnlichen Namens die Branche in Belgien erschüttert, so der Mediziner. Vier Menschen erlitten schwere Nierenschäden.
Im März beginnt die Universität Rostock einen Austausch mit der Uni in Hongkong. "Sie rangiert auf Platz 34 der Weltrangliste aller Unis", sagt der Arzt respekterfüllt. Vier Dozenten und siebzehn Studenten wollen die Reise antreten und mit neuen Erkenntnissen wiederkommen. Hans Lampe wird dabei sein.