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Ehrenamtlich auf Tour: Lesestoff auf Rädern für junge Patienten

11. July 2014

Karin Kleinau an ihrem Bücherwagen mit einem ihrer neuen Lieblingsbücher. Es wurde ihr vom Leiter der Abteilung für Kinderchirurgie, Prof. Gerhard Stuhldreier, empfohlen.

Mit etwas Mühe schiebt Karin Kleinau den 40 Kilo schweren und mit Literatur beladenen Bücherwagen durch den Eingang der Kinderklinik der Rostocker Universitätsmedizin. „Es ist nicht mehr so einfach wie früher“, sagt sie. „Aber noch geht es.“ Lächelnd öffnet die 79-Jährige die Tür eines Patientenzimmers der Kinderchirurgie und stellt sich vor: „Guten Tag, ich komme von der Kinderbibliothek.“

Bis zu zweimal die Woche besucht die Rentnerin die jungen Patienten und leiht ihnen Bücher aus. Seit 2000 leitet sie den Dienst. 1995 von der Freudenberg-Stiftung ins Leben gerufen, wurde er später vom Verein „Grüne Damen und Herren“ der Arbeitsgemeinschaft Evangelische Krankenhaus-Hilfe übernommen. „Das Geld, das die Stiftung einst für Bücher und Materialien zur Verfügung stellte, ist lange aufgebraucht“, sagt Kleinau und lacht: „Jetzt geh ich Klinken putzen.“

Mehr als 1500 Bücher für verschiedene Altersstufen zählen zum Bestand der kleinen Ausleihe, von Pony-Geschichte bis Kinderlexikon. Viele Bände stammen noch aus der Anfangszeit, hin und wieder geht eines im Klinikalltag verloren. „Dann versuchen wir, mit Hilfe von Spenden nachzukaufen“, sagt Kleinau. Gerade erst hat sie ein Buch mit bunten Suchbildern besorgt. „Es gibt wunderschöne Kinderbücher. Wenn ich den Buchladen betrete, gehen mir die Augen über. An manchen Neuerscheinungen komme ich einfach nicht vorbei.“ 

Wenn die Rentnerin mit ihrem Wagen von Tür zu Tür über die Station zieht, stößt sie mittlerweile nicht mehr bei allen Kindern auf Interesse: „Manche sagen: Zeig mal her, was du hast. Aber besonders bei den älteren Kandidaten kämpfen wir gegen digitale Spielzeuge an“, sagt sie milde lächend. „Da haben wir kaum eine Chance.“

Insgesamt zehn Grüne Damen, zu erkennen an grünen Halstüchern, zählen zu Kleinaus Team. Ehemalige Lehrerinnen, Ärztinnen und auch die frühere leitende Physiotherapeutin der Unimedizin engagieren sich. „Ganz blutjung sind wir alle nicht mehr“, sagt Kleinau und lacht. „Wir bewegen uns zwischen 60 und 80 Jahren.“ Die Terminsuche zwischen Bandscheibenvorfall, Hexenschuss und Enkelbesuchen ist nicht einfach. „Eine Dame kommt immer mit ihrem Mann, weil sie es nicht mehr allein schafft. Er schiebt den Wagen und sie spricht mit den Kindern. Aufhören will sie noch nicht.“ Neue und vor allem junge Leute für die Arbeit zu gewinnen, sei nicht einfach. „Es gibt immer mal wieder jemanden, der sich interessiert und das für eine gute Sache hält. Aber am Ende wollen alle Geld sehen.“

Kleinau selbst ist seit 1997 im Ehrenamt. Zunächst engagierte sich die gelernte Industriekauffrau beim Altenheim Stadtweide, wo sie 15 Jahre lang eine Schwerstbehinderte besuchte und mit ihr Ausflüge unternahm. „Eine Glasknochenkranke. Sie verbrachte ihr Leben im Rollstuhl und kam mit 18 Jahren ins Altersheim“, erinnert sie sich. „Das war sehr traurig.“ Als die zur Freundin gewordene Patientin mit 70 Jahren verstarb, hörte Kleinau in der Stadtweide auf: „Man kann nicht einfach neu anfangen.“

Am Ende ihrer etwa einstündigen Tour durch die Kinderchirurgie ist Karin Kleinau erschöpft. Doch auch wenn sie sich kurz vor dem 20-jährigen Bestehen des Bücherdienstes nach einer Nachfolgerin umschaut: Missen möchte sie ihre Arbeit noch nicht: „Wenn ich zurückkomme mit meinem Wagen und die Kinder haben sich gefreut und ein Buch in der Hand, ist das doch wunderschön“, sagt sie. „Dann gehe ich zufrieden nach Hause. Ich bin gesund, dafür muss man dankbar sein und seine Zeit für andere geben.“