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Erfolgsmodell: Rostocker tüfteln am Knie aus Keramik

17. March 2014

Die gelb gestrichene Wand im Besprechungsraum des Labors ist nun um einen Glasrahmen reicher. Dahinter: die Gratulation zum Wissenschaftspreis der AFOR (Association for Orthopaedic Research). Den hat Dr. Daniel Klüß, stellvertretender Laborleiter, mit seiner Arbeitsgruppe abgeräumt und gerade in der Schweiz entgegengenommen. Die Stiftung mit Sitz im Nachbarland fördert die Zusammenarbeit zwischen Medizin und Industrie in Forschung und Entwicklung und unterstützt die Aus- und Weiterbildung von Orthopäden und Unfallchirurgen.Das 29-köpfige Team bastelt im Erdgeschoss der Orthopädischen Klinik der Universitätsmedizin Rostock am künstlichen Kniegelenk der Zukunft: einem aus Keramik. „Bisher sind sie üblicherweise aus Metall. Doch das birgt die Gefahr von Allergien. Die Metalllegierung enthält zum Beispiel auch immer Nickel“, sagt der 36-Jährige. „Und eine Prothese sitzt fest im Körper, die kann man im Problemfall nicht einfach abnehmen wie Schmuck.“ Die Lösung für Allergiepatienten ist Keramik. Sie ist für den Körper komplett unsichtbar. „Er wehrt  sich nicht dagegen“, erzählt Klüß. Keine Chance für allergische Reaktionen.Einziger Nachteil: Das Material kann brechen. „Wir brauchen aber ein sicheres Produkt.“ Über Lösungen für dieses Problem brüten die Rostocker Forscher seit mehreren Jahren. Bei Operationen muss die Keramik allerhand aushalten: Der Knochen, auf den das künstliche Gelenk aufgesetzt werden soll,  muss vorher zurechtgesägt werden; dann klopft der Operateur mit einem Hammer so lange auf die Endoprothese, bis sie sitzt. „Das ist richtiges Handwerk, was da passiert“, sagt der Forscher. Wie kann man die Chance erhöhen, dass das Material dabei keinen Bruch erleidet? Dazu hat der Rostocker detaillierte Berechnungen angestellt.  Für das Ergebnis wurde das Team ausgezeichnet. Es stellte sich nämlich heraus, dass Schäden vermieden werden können, indem der Sägeschnitt wesentlich exakter geführt wird als bislang in der Praxis üblich. „Weicht man auch nur um drei Grad von der vorgegebenen Richtung ab und setzt das Implantat ein, dann sind die Spannungen so hoch, dass es kaputtgehen kann“, sagt Daniel Klüß.Die Prothesen-Hersteller haben bereits auf diese Erkenntnis reagiert: Nun wird auf ihre Vorgabe hin insgesamt ein Millimeter mehr vom Knochen abgenommen, um kritische Spannung abzustellen. Und: Der Hammer ist außer Dienst gestellt. „Jetzt werden die Implantate von Hand aufgeschoben“ , berichtet Klüß. Implantatsicherheit sei überhaupt ein großes Thema in Orthopädie und Endoprothetik, so der Fachmann.  „Die klinische Studie zum Keramik-Knie – auch unter Beteiligung  italienischer und spanischer Forscher - leiten wir an“, sagt Klüß. Man hole die Ergebnisse anderer deutscher Kliniken ein. Die Studienpatienten, bisher 107 an der Zahl, erhalten Keramik-Knie. Gerade liegen die Fünf-Jahres-Ergebnisse vor. Fest steht bereits: Bisher sind alle Rostocker Exemplare heil geblieben. Zwei Patienten, die mit dem Metallknie Allergie-Probleme hatten, wechselten zur Keramik - und sind nun beschwerdefrei.Daniel Klüß hat schon sinnvoll Verwendung gefunden für das Preisgeld der Schweizer Stiftung. „Ein Großteil fließt in die Forschung um Explantate, also Prothesen, die aus dem Körper ausgebaut wurden. Wir stellen Bruchanalysen an. Dafür brauchen wir eine Kamera mit einem guten Objektiv.“