Der erste Patient bekommt die Nummer 001. Es ist nicht bekannt, wann er kommt, und auch nicht, wer es sein wird.
Doch mit großer Wahrscheinlichkeit wird er kommen – der erste Verletzte, der bei Demonstrationen, Ausschreitungen oder anderen Aktionen im Umfeld des G8-Gipfels in Heiligendamm zu Schaden kommen wird und ins Krankenhaus eingeliefert werden muss. Vom 6. bis zum 8. Juni 2007 tagen die höchsten Repräsentanten der acht führenden Industrienationen in Heiligendamm und damit direkt der Haustür des Universitätsklinikums Rostock. Dem 1100-Betten-Haus kommt in Sachen Krankenversorgung während des Gipfels zentrale Bedeutung zu. Gegendemonstrationen sind angekündigt, Großveranstaltungen wie ein Konzert mit Herbert Grönemeyer sollen stattfinden, G8-Gegner haben Gegendemonstrationen angekündigt – in Heiligendamm und anderswo. Für das Uniklinikum bedeutet das höchste Bereitschaft – und eine große Herausforderung. „Es wird ein hohes Gewaltpotenzial kann nicht ausgeschlossen werden. Daher hat sich das Klinikum auch für die hoffentlich nicht eintretende Situation eines Massenanfalls von Verletzten (MANV) eingestellt“, sagt Sicherheitsbeauftragter Ingo Knaack, der die Vorbereitung auf ein solches Ereignis im Haus koordiniert. Zur Vorbereitung wurde eine Arbeitsgruppe gebildet, die direkt dem Vorstand des Klinikums unterstellt ist: G8 ist Chefsache. Durch einen auf die aktuellen Bedürfnisse abgestimmten Alarm- und Einsatzplan sind alle Beteiligten am Klinikum im Vorfeld des Gipfels über Funktionen, Aufgaben und Verfahrenswege informiert, falls das Klinikum mit einem externen Großschadensereignis konfrontiert wird. Die Arbeitsgruppe, die den Einsatz koordiniert, musste bei den Vorbereitungen nicht bei Null anfangen, da mit den Mai-Demonstrationen 2006 mit der Veranstaltung der Neonazis mitten in der Hansestadt Rostock bereits Erfahrungen gesammelt wurden. Zwar kam es in Rostock nicht zu Ausschreitungen, der Einsatz von Medizinern, Helfern und Hilfsmitteln musste dennoch genau geplant werden. Bei einem Großschadensereignis steht das Universitätsklinikum natürlich nicht allein. Der gesamte Einsatz und seine Koordination obliegen dem Brandschutz- und Rettungsamt Rostock, mit dem das Klinikum in ständigem Kontakt steht. Der G8-Einsatz erfordert eine Planung unter Einbeziehung aller Krankenhäuser Mecklenburg-Vorpommerns. Am Uniklinikum Rostock wird jede Hand gebraucht, weshalb für die Zeit des Gipfels eine Urlaubssperre verhängt wurde. Oberste Koordinationsstelle für den Gesundheitsbereich ist das Sozialministerium in Schwerin. Im Vorfeld des Gipfels wurden Schulungen für Mitarbeiter des UKR durchgeführt, die drängenden Fragen wurden dabei geklärt: Sind die Behandlungsplätze optimal ausgestattet, funktionieren die Alarm- und Alarmierungspläne? Die Ausstattung des Klinikums befindet sich auf dem neuesten Stand. Erst vor kurzem nahm der neue Schockraum mit voller Kraft seinen Betrieb auf, zusätzliche transportable Betten wurden angeschafft. Zentraler Anlaufpunkt für die Verletzten wird die Liegendkrankenzufahrt auf dem Campus Schillingallee sein, wo die so genannte Triage, die Sichtung und Einteilung der Patienten nach der Schwere ihrer Verletzungen erfolgt. Etwa 100 Patienten kann das Klinikum ohne Probleme kurzfristig versorgen – fünf bis zehn Schwerverletzte, zehn mittelschwer Verletzte, 70 Leichtverletzte. Dem Grad der Verletzungen entsprechen Farben – Rot, Gelb und Grün. Rot steht für schwerste Verletzungen. Bleibt zu hoffen, dass Patient 001 und alle folgenden allenfalls Grün für leichte Verletzungen zugeteilt bekommen.