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Hygiene beginnt im Kleinen - den Keimen auf der Spur

10. March 2014

Hygiene? Längst kein Problemthema mehr. Ein fataler Irrtum. In der Universitätsmedizin Rostock hat Krankenhaushygieniker Prof. Dr. Andreas Podbielski seine Augen auf allem, was unsichtbar ist, aber fatale Folgen haben kann. Im von ihm geleiteten Institut für Mikrobiologie, Virologie und Hygiene wird Tag für Tag alles untersucht, was dem menschlichen Körper entstammt: Urin, Stuhl, Blut, Material aus den Atemwegen, sogar orthopädische Prothesen. „Unser Arbeitsfeld nennt sich zwar ,mikro‘, aber zuweilen sind die untersuchten Materialien ganz schön groß“, sagt Podbielski lächelnd. „Klein ist eben das, worauf wir sie untersuchen.“  Pilze, Bakterien, Viren – Podbielskis Technischen Assistenten im Labor entgeht nichts. In Rostock sind Mikrobiologie und Hygiene in einer Hand, somit auch die Infektionsverhütung. In den Kliniken arbeiten vier Hygienefachkräfte,  zwei sind in Ausbildung. Jedes Jahr organisieren sie den Rostocker Hygienetag für Pflegekräfte. Der nächste findet am 12. März statt.

Die Bevölkerung wird älter, viele Menschen weisen mehrere Krankheitsbilder gleichzeitig auf. Die Zahl der Infektionen in Krankenhäusern wird steigen. „Das ist dann nicht einer vermehrten Schlamperei geschuldet, sondern einem veränderten Risikoprofil“, sagt Podbielski. Jedes Jahr geht an der Universitätsmedizin ein Überwachungsbericht an alle Mitarbeiter. „Deutschlandweit vorbildlich“ nennt es der Hygieniker. Neben der Häufigkeit der Messungen werden auch der Antibiotika-Verbrauch und Resistenzen erfasst. „So helfen wir den Ärzten, das richtige Mittel zu wählen. Das trägt zu einer schnelleren Gesundung bei.“ Nehme ein Patient ein Antibiotikum ein, gegen das bestimmte Erreger eine Unempfindlichkeit entwickelt hätten, sei es schließlich, als nehme er gar nichts ein. Gerade haben sich die Rostocker, die auch andere Krankenhäuser und Firmen beraten, mit anderen norddeutschen Kliniken verbündet, um einen bundesweiten Hygiene-Standard zu etablieren.

Der Finger liegt immer am Datenpuls: Elektronische Erfassungssysteme helfen den Hygienikern bei der Frühwarnung. Liegt etwas im Argen, werden sie aktiv. Auch Reaktionen auf Zwischenfälle werden trainiert. Podbielski erinnert an die Katastrophe um Frühchen in Bremen. „Individuelle Fehler kommen vor, aber in Rostock sind das Personal und die Technik vorhanden, um daraus keine Katastrophe werden zu lassen", sagt er.

An der Unimedizin geht das länderübergreifende Projekt „Hicare – Gesundheitsregion Ostseeküste“ gerade in seine vorläufig letzte Phase. Das Ziel: standardisierte Verfahren gegen die Ausbreitung multiresistenter Erreger. Fürs Projektfeld „Innovation“ wird unter Federführung der Orthopädischen Klinik und Poliklinik eine Studie mit bisher etwa 900 Patienten organisiert. Auch neue Verfahren zur Therapie von Infektionen werden erarbeitet. Erkenntnisse aus dieser und weiteren Studien werden demnächst veröffentlicht. "Wir haben mit unseren Projektpartnern in MV Standards gesetzt", sagt Klinikleiter Prof. Dr. Wolfram Mittelmeier. Krankenhäuser auch im übrigen Deutschland übernähmen hier ausgebrütete Strategien. Abläufe im OP-Saal, bei Probenentnahme, Transport und Aufarbeitung von Material zur mikrobiologischen Untersuchung - alles Fehlerquellen. In Rostock ist es gelungen, die Identifikation von Keimen zu verbessern.

Allein bei einer Hüft-OP werden zu vorgegebenen Zeiten an bestimmten Stellen sieben Abstriche genommen. Entnommene Implantate werden präzise untersucht, das Gewebe ebenso. Es folgt eine achtwöchige Pause, in der ein sogenannter Spacer - ein Platzhalter - den Raum ausfüllt, den bisher die Prothese einnahm. "Am antibakteriellen Material dafür, das Implantat und Gewebe schützt, tüfteln wir noch", so Mittelmeier. Derzeit besteht der Spacer aus Knochenzement. Doch aus dem lösen sich millionenfach Partikel - "eine später eingesetzte endgültige Prothese kann dann vier- bis fünffach so schnell verschleißen", sagt Oberarzt Dr. Philipp Bergschmidt. Auch für die Prothesen, die am Ende im Körper verbleiben, muss ein neuartiges Material her. Derzeit forschen die Rostocker an Implantaten mit feinster Kupferbeschichtung - bisher mit beachtlichem Erfolg.

Unsichtbare Gefahr

Resistente Erreger sind Krankheitskeime, die widerstandsfähig geworden sind gegenüber Medikamenten, die zur Behandlung von Infektionen eingesetzt werden. Mitunter werden bei Menschen und Tieren Antibiotika angewendet. Da die Verordnung solcher Medikamente zunimmt und außerdem manche Patienten sie nicht korrekt einnehmen, meist entgegen der ärztlichen Anweisung viel zu kurz, verändern sich einige Bakterien und werden resistent. Manche sogar gegen mehrere der üblicherweise verschriebenen Antibiotika: Diese Erreger werden als multiresistent bezeichnet und sind einfach deshalb gefährlich, weil bei einer Infektion - wie Harnwegsinfekten, Organ-Entzündungen oder einer Sepsis - kaum mehr ein Medikament gegen sie wirkt.