Im Institut für Rechtsmedizin an der Universitätsmedizin Rostock ist in dieser Woche Mecklenburg-Vorpommerns Justizministerin Katy Hoffmeister empfangen worden. Sie informierte sich über die Arbeit der Mitarbeiter in der Opferambulanz. Die Rostocker Einrichtung und ihr Greifswalder Pendant beklagen seit Jahren eine zunehmende Unterfinanzierung. Für die Betreuung von Verletzten in den Gerichtsbezirken Rostock und Schwerin sei 2011 eine halbe Personalstelle festgesetzt worden, seitdem sei diese Kalkulation nicht dem erheblich gestiegenen Aufwand angepasst worden, berichtete Institutsdirektor Prof. Dr. Andreas Büttner der Ministerin. Die Opferzahlen entwickelten sich konstant aufwärts. Beim Start des Modellprojekts 2011 habe die Zahl der Hilfesuchenden in den Vierzigern gelegen; allein von 2015 zu 2016 stieg die Zahl der Fälle noch mal exorbitant: von 119 auf 190. Mit dem wachsenden Bekanntheitsgrad der Anlaufstelle seien weiterhin kletternde Zahlen zu erwarten, sagte der Rechtsmediziner.
Ministerin Hoffmeister hob die unabhängige ärztliche Dokumentation hervor, die durch die Opferambulanzen möglich werde. „Die Mediziner ermitteln nicht im Auftrag der Polizei“, sagte sie. Stattdessen erfassten sie wichtige Hinweise auf potenzielle Gewalttaten. „So sichern sie Spuren, die für die Opfer nach kurzer Zeit verloren wären.“ Dafür sei Sorgfalt oberste Pflicht, erklärte Verena Blaas, Assistenzärztin in der Rechtsmedizin, die die Opferambulanz vorrangig betreut. „Wir erfassen Verletzungen auf dem ganzen Körper und nehmen Fotos auf. Mitunter erstellen wir, von der Staatsanwaltschaft beauftragt, noch Wochen später aus den Befunden ein professionelles Gutachten.“ So verschaffe man traumatisierten Menschen Zeit. „Falls sie sich später für eine Anzeige entscheiden, haben wir alle Befunde gesichert.“
Ein Fall nehme samt Vor- und Nachbereitung schon mal drei Stunden in Anspruch, verdeutlichte Büttner. Da sei die Fahrtzeit noch nicht enthalten. Das Einzugsgebiet für die Rostocker Opferambulanz sei groß, auch in Boizenburg oder Ludwigslust sei die Expertise der Mediziner gefragt. „Werden wir etwa zu einem Fall in Hagenow hinzugezogen, sind wir schon mal einen halben Tag unterwegs.“
In weiterer Hinsicht steige der Aufwand für die Rechtsmediziner, die eng mit den Jugendämtern zusammenarbeiten: Neben der reinen medizinischen Erfassung von Verletzungen seien die Mitarbeiter auch immer mehr in Fortbildungen für Personal in Behörden, Kitas, Schulen und Staatsanwaltschaft eingebunden. Vielfach berate die Ambulanz telefonisch bei Verdachtsfällen. „Es hat sich herumgesprochen, dass wir immer erreichbar sind, auch am Wochenende“, sagte Verena Blaas. Die vermehrte Aufklärung und Qualifizierung von Berufsgruppen führe zu wesentlich mehr Zulauf durch Hilfesuchende, die zum Gang in die Rechtsmedizin ermutigt würden, so Blaas.
„Insofern erfüllt sich das Ziel des Modellprojekts von 2011“, so Andreas Büttner. Den geleisteten Mehreinsatz jedoch decke die halbe Stelle schon lange nicht mehr ab. Dabei spare die Arbeit der Ambulanz wiederum Kosten ein – für nachträgliche Ermittlungen aufgrund einer Anzeige.