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„Kaiser, Kalb und Krankenbett“: Universitätsmedizin zeigt Fotos in der Societät Maritim

12. September 2015

Ehrwürdig: Das Gebäude der Chirurgie um 1950. Foto: Archiv der Universität Rostock

Erlös aus Kalendern und Tassen mit historischen Motiven geht an kranke Kinder

Häubchen aufgesetzt und der Arbeitstag der Schwestern startet: Nicht nur die Bekleidungsvorschriften in den Krankenhäusern haben sich im Laufe vieler Jahrzehnte verändert. Die Schwestern sterilisierten noch bis in die 80er Jahre alles selbst. Dokumentation über den Computer, Einwegmaterial, Ein- oder Zweibettzimmer, eigenes Bad, W-LAN – alles noch Zukunftsmusik. In Vorbereitung auf das Universitätsjubiläum 2019 wirft die Universitätsmedizin Rostock schon mal einen Blick zurück. Am 8. September startete in der Societät Maritim, dem ehemaligen Schifffahrtsmuseum in der August-Bebel-Straße, die dreimonatige Ausstellung „Kaiser, Kalb und Krankenbett – Ein Jahrhundert an der Universitätsmedizin Rostock“ mit historischen Fotografien aus Klinikalltag, Forschung und Studentenleben.

„Die Medizin hat in Rostock eine lange Tradition“, sagt Prof. Dr. Emil Reisinger, Dekan und Wissenschaftlicher Vorstand. „Die Medizinische Fakultät war 1419 eine der Gründungsfakultäten. Bis in das 14. Jahrhundert hinein war das Studium für deutsche Ärzte nur an Universitäten im Ausland, etwa in Frankreich oder Italien, möglich.“ Um diese lange Geschichte zumindest für das Zeitalter der Fotografie zu erhellen, haben die Mitarbeiter der Pressestelle der Unimedizin mehrere Monate lang das Archiv der Universität und private Bestände nach Schätzen durchsucht. Aus bergeweise ans Licht geholtem Material wählten sie schließlich etwa 150 Motive aus, die nun zu sehen sein werden. 

Die Aufnahmen lassen das Leben, Forschen und Arbeiten an der Klinik nachempfinden. Beginnend am Ende des 19. Jahrhunderts über die Jahre des neuen Jahrhunderts, als der Kaiser Wilhelm II. in Rostock mit großem Empfangskomitee eine andere berühmte Persönlichkeit besuchen kam, bis hinein ins spätere 20. Jahrhundert.

Aller Kliniken Anfang ist die Baugrube. So zeigt eine Luftaufnahme von 1927 einen Campus Schillingallee, der noch großzügig Platz hatte. Rundherum nichts als Felder und vereinzelte Häuser. Das änderte sich schnell. Kliniken, Institute, Abteilungen, Labore wuchsen bald in der ganzen Stadt. Fotos zeigen schwitzende Bauarbeiter am Zentrum für Innere Medizin und fleißiges Werkeln in Gehlsdorf. Die Ausstellung erlaubt einen Blick hinter die Kulissen des Klinikgewusels. Eine Universitätsmedizin ähnelt einer kleinen Stadt und bedarf einer reibungslosen Logistik, gestern wie heute. Da wurde jeden Tag Wäsche in riesigen Kesseln gewaschen und anschließend durch die Mangel gekurbelt; da bereiteten Küchen-Teams täglich für Hunderte Patienten Essen in den Häusern zu.

Die Krankenversorgung an der Universitätsmedizin findet seit jeher in enger Verzahnung mit Forschung und Lehre statt. Das Wissen, das später den Patienten zugutekam, wurde den Studenten schon früh in Hörsälen vermittelt – „mitunter erfrischend unkonventionell und anschaulich“, sagt Dekan Prof. Reisinger. „So wurde 1979/80 das Kalb ,Rosi‘ vor Publikum in den OP geschoben.“ Das Tier bekam ein Kunstherz eingesetzt, das noch mehr als zehn Tage schlug – seinerzeit eine Sensation, die auch auf Video festgehalten wurde. „Rosi“ ist vielen Klinikbeschäftigten heute noch ein Begriff. Und noch viele andere Besonderheiten konnten die Mitarbeiter ausgraben. Mit eingestreuten Zeitzeugenberichten und Anekdoten ehemaliger Studenten wird die Bilderschau garniert. So erfahren die Besucher, wie es sich einst zu siebt in einer winzigen Studentenbude mit Doppelstockbetten in der Thierfelder Straße lebte – während die tägliche Verpflegung noch über Lebensmittelkarten lief. Und warum ein schüchterner Gang zur Flurtoilette Wirtsleute auf die Palme bringen konnte. 

Am Ende des Rundgangs kehrt die Ausstellung zurück in die Zukunft. Die besten Motive der Schau werden in einem Kalender für 2016 und auf Keramiktassen festgehalten. Die Andenken können im Shop der Societät gekauft werden. Der Erlös kommt krebs- und psychisch kranken Kindern der Klinik zugute.

„Patienten, Studenten, Mitarbeiter und alle ehemaligen Kommilitonen, Pflegekräfte, Wissenschaftler und Ärzte sind herzlich eingeladen vorbeizuschauen“, sagt Prof. Dr. Christian Schmidt, Ärztlicher Vorstand der Universitätsmedizin. „Es gibt viel zu entdecken.“