Wie fühlt sich ein Kiefernzapfen an? Hart, kantig, rau? Wie klingt ein Blatt? Wie sieht der Boden unter den Füßen aus? Wenn Daniela Sarcinelli mit ihren Patienten in den Wald geht, werden alle Sinne angesprochen. Die Krankenschwester der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Universitätsmedizin Rostock ist Waldtherapeutin. In einer Weiterbildung, die jetzt zum ersten Mal in Mecklenburg-Vorpommern angeboten wurde, hat sie ein naturnahes Therapiekonzept für Patienten mit depressiven Störungen entwickelt.
„Im Wald können wir uns von künstlichen Reizen abschirmen und in Kontakt zu uns selbst treten“, sagt Sarcinelli. „Das ist besonders für depressive Menschen wichtig. Sie leiden oft unter großer Traurigkeit, fühlen sich wertlos und haben Schwierigkeiten mit den Ansprüchen, die an sie gestellt werden. Im Wald können sie einmal alles loslassen.“ Dafür leitet die Krankenschwester ihre Patienten mitten in der Natur zu verschiedenen Achtsamkeitsübungen an. „Jeder sucht sich einen Platz, der ihn hier und jetzt besonders anspricht und nimmt ihn ganz bewusst wahr.“ Dabei beobachtet Sarcinelli eine fast kindliche Freude bei den Teilnehmern, die den Wald – teils zum ersten Mal nach langer Zeit – betreten. „Sie merken: Hier kann ich sein, wie ich bin. Kein Baum muss Make-Up tragen, keine Pflanze ein Handy bedienen oder sich einer Mode unterwerfen – und auch ich muss mich nicht darstellen. Eine befreiende Erkenntnis.“
Gestaltet und erprobt hat Sarcinelli ihre Übungen im Rahmen der Weiterbildung zur Waldtherapeutin. Prof. Dr. Karin Kraft, Stiftungsprofessorin am Lehrstuhl für Naturheilkunde an der Rostocker Unimedizin, hat die Weiterbildung mitentwickelt und betont: „Nicht nur Patienten mit psychischen Störungen profitieren davon. Das Klima im Wald ist sehr förderlich für unsere Gesundheit und bietet verschiedenste Sinnes- und Bewegungsreize. So können wir gezielt zum Beispiel bei Krankheiten der Lunge, des Herz-Kreislauf-Systems oder bei orthopädischen Problemen helfen.“ Da die Therapie kostengünstig und nebenwirkungsarm ist, hofft Kraft, dass sich das Angebot langfristig als Kassenleistung etablieren kann.
Bis dahin wird Daniela Sarcinelli weiter an ihrem Konzept feilen. „Ich plane aktuell einen Probedurchlauf, bei dem wir uns in der Gruppe wöchentlich für eine Stunde treffen und den Wald erleben“, sagt sie. „Ich hoffe, dass wir die Therapie dann weiter ausbauen können.“