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Mangel an Herzklappen immer größer

02. January 2023
Zwei Menschen in OP-Kleidung in einem OP

Bei der Patientenversorgung mit Herzklappen konnte 2022 weniger als die Hälfte aller Anfragen bedient werden. Foto: Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG)

Zahlen zur Gewebespende 2022

3.070 Menschen spendeten im Jahr 2022 Gewebe – ein neuer Rekord. Im Vergleich zum Vorjahr konnte die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) die Gewebespende erneut steigern: 53 Gewebespendekoordinatoren bearbeiteten knapp 45.000 Spendermeldungen, führten 7.915 Aufklärungsgespräche und erhielten 3.367 Zustimmungen. 42,5 Prozent aller Spender und Angehörigen stimmten einer Gewebespende zu.

Zu einem der spendenstärksten Bundesländer in 2022 zählt auch Mecklenburg-Vorpommern: Hier wurden insgesamt 353 Gewebespenden realisiert, davon 80 an der Universitätsmedizin Rostock, einer Gesellschafterin der DGFG. Trotz dieser erfreulichen Entwicklung blickt die DGFG besorgt in die Zukunft. Denn was fehlt, sind lebensrettende Herzklappen. Während die DGFG die Spende von Augenhornhäuten ausbauen konnte, musste die gemeinnützige Gesellschaft einen starken Rückgang in der Spende von Herzklappen von 445 in 2021 auf 320 in 2022 hinnehmen. Grund dafür ist insbesondere der Rückgang in der Organspende, aus der noch immer der Großteil an Herzklappen gewonnen wird. Zusätzlich gefährdet das im März 2022 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende die Patientenversorgung erheblich. Dieses Gesetz sieht die Einrichtung eines Online-Registers für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende vor. Die darin festgeschriebenen Zugriffsbeschränkungen auf das geplante Register werden den Spendeprozess behindern und zu einem erheblichen Einbruch der Spendezahlen führen, sollte bis zum Registerstart an der Gesetzesreform nichts mehr geändert werden. 

Kritik an der Gesetzesreform
„Das im März 2022 in Kraft getretene Gesetz zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende wird in dieser Form zu einem Ausbremsen unserer Arbeit in der Gewebespende führen. Für jeden einzelnen Fall wären wir auf die Auskunft aus dem Register, die nur über einen bevollmächtigten Klinikangestellten mit einem elektronischen Heilberufeausweis abgerufen werden kann, angewiesen. Bei rund 45.000 Fällen pro Jahr, die wir bei der DGFG bearbeiten, und begrenzten Zeit- und Personalressourcen auf Klinikseite kann das nicht funktionieren. Mit diesem extremen Organisationsaufwand für das Abrufen einer möglichen Entscheidungsdokumentation können wir die Zeitfenster in der Gewebespende nicht einhalten“, hält Martin Börgel, Geschäftsführer der DGFG, fest. Diese Kritik wird auch von den fünf Gesellschafterkliniken der DGFG unterstützt: „Gemeinsam müssen wir eine Lösung finden, die für die Gewebespende genauso wie für die Organspende förderlich ist. Sollte hierfür eine Gesetzesänderung notwendig sein, müssen wir diesen Schritt zeitnah angehen“, sagt die ärztliche Vorständin der Universitätsmedizin Rostock Dr. Christiane Stehle.

Immer mehr Augenhornhäute – immer weniger Herzklappen
Auch im dritten Pandemiejahr ist es der DGFG gelungen, die Gewebespende weiter auszubauen und mehr Patienten mit Gewebetransplantaten zu versorgen. Neben der Spende von Augenhornhäuten, Herzklappen, Blutgefäßen und Amnionmembranen widmete sich die DGFG auch der Spende von Knochen, Sehnen und Bändern. Das mit Abstand am meisten gespendete Gewebe ist nach wie vor die Augenhornhaut (83,5 Prozent): Erstmalig erhielten 4.366 Patienten ein Hornhauttransplantat aus dem Netzwerk der DGFG, darunter 113 Patienten in der Rostocker Universitätsaugenklinik. In der Patientenversorgung mit Herzklappen zeigt sich ein anderes Bild: Während in 2021 noch 154 Patienten eine humane Herzklappe erhielten, konnte die Vermittlungsstelle der DGFG in 2022 weniger als die Hälfte aller Anfragen bedienen. Nur 144 Herzklappen konnten erfolgreich vermittelt werden.

Großteil der Herzklappen stammt aus der Organspende
Nach wie vor ist die Organspende wichtig für die Patientenversorgung insbesondere mit kardiovaskulärem Gewebe (KVG), d. h. Herzklappen und Blutgefäßen: Insgesamt stammten 322 Gewebespenden von Organspendern (10,5 %). Bei 55 Prozent dieser Gewebespenden konnte das Herz für die Gewinnung der noch funktionsfähigen Herzklappen und Gefäße entnommen werden. Da im Unterschied zur Organspende die Gewebespende nicht an die Hirntoddiagnostik gebunden ist, treibt die DGFG seit einigen Jahren das von der Organspende unabhängige Programm der KVG-Spende bei Herz-Kreislauf-Verstorbenen voran. Eine Entnahme von Herzklappen und Gefäßen ist bis zu 36 Stunden, eine Augenhornhautspende sogar bis zu 72 Stunden nach Todeseintritt möglich.

Über die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG)
Die DGFG fördert seit 1997 die Gewebespende und -transplantation in Deutschland. Auf Basis des Gewebegesetzes von 2007 sind alle Tätigkeiten und Ablaufprozesse der Gewebespende gesetzlich geregelt. Für alle Gewebezubereitungen gilt das Handelsverbot. Die DGFG vermittelt ihre Transplantate über eine zentrale Vermittlungsstelle mit einer bundesweiten Warteliste. Jede medizinische Einrichtung in Deutschland kann Gewebe von der DGFG beziehen. Als unabhängige, gemeinnützige Gesellschaft wird die DGFG ausschließlich von öffentlichen Einrichtungen des Gesundheitswesens getragen: Gesellschafter sind das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, das Universitätsklinikum Leipzig, die Medizinische Hochschule Hannover, die Universitätsmedizin Rostock sowie das Dietrich-Bonhoeffer-Klinikum Neubrandenburg.

3.070 Menschen spendeten im Jahr 2022 Gewebe – ein neuer Rekord. Im Vergleich zum Vorjahr konnte die Deutsche Gesellschaft für Gewebetransplantation (DGFG) die Gewebespende erneut steigern: 53 Gewebespendekoordinatoren bearbeiteten knapp 45.000 Spendermeldungen, führten 7.915 Aufklärungsgespräche und erhielten 3.367 Zustimmungen. 42,5 Prozent aller Spender und Angehörigen stimmten einer Gewebespende zu.