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Mit Anspannung und Entspannung gegen Migräne

09. September 2021
Prof. Peter Kropp

Im Kopfschmerzzentrum Nord-Ost der Unimedizin Rostock finden Patienten Hilfe

Ob Pharaonen oder Albert Einstein, Hildegard von Bingen oder Otto von Bismarck – viele Berühmtheiten waren von Migräne geplagt. Der pulsierende pochende Schmerz, der häufig einseitig ist und bis zu 72 Stunden anhalten kann, begleitet die Menschheit offensichtlich seit Jahrtausenden. Obwohl heute weltweit ca. eine Milliarde Menschen unter Migräne leiden, gibt es nur wenige Behandlungsmöglichkeiten. Der psychologische Leiter des Kopfschmerzzentrums der Unimedizin Rostock, Prof. Dr. Peter Kropp, geht gemeinsam mit dem Neurologen Dr. Florian Rimmele neue Wege, um Betroffenen Linderung zu verschaffen.

„Zu uns kommen Patienten, die bereits einen langen Leidensweg hinter sich haben und in ihrer Lebensqualität stark eingeschränkt sind. Sie haben oft mehr als an 15 Tagen im Monat Migräne, nehmen starke Medikamente und sind dadurch beeinträchtigt. Viele wissen aber nicht, dass die Einnahme von Migränemitteln an mehr als 10 Tagen im Monat selbst Kopfschmerzen auslöst“, so Kropp. Deshalb wird in der Tagesklinik, die gemeinsam mit der Klinik und Poliklinik für Neurologie betrieben wird, eine Medikamentenpause verordnet. Die Patienten werden  sozusagen auf Entzug gesetzt. Oft werden schon dadurch die Migränetage weniger. In dieser schweren Zeit werden sie engmaschig begleitet und trainiert, um künftig Migräneanfällen vorzubeugen und auch medikamentenunabhängige Schmerzlinderung zu erfahren.

„So ein Anfall kündigt sich an“, erläutert der Psychologe, „die Blutgefäße im Hirn weiten sich und die Patienten bekommen auch kalte Hände und Füße.“ Deshalb bringt er ihnen Methoden bei, die im Anfall gefäßverengend aber sonst gefäßerweiternd wirken: die Hände wärmen, Kaffee mit Zitrone trinken oder an etwas Unangenehmes denken, was im Körper Adrenalin ausschüttet. Gedanken an das Kratzen auf einer Schultafel mit den Fingernägeln oder an große sportliche Herausforderungen eignen sich dafür. Seine Patienten lernen auch verhaltenstherapeutische Ansätze, um einen beginnenden Anfall mit Hilfe der Kraft von Gedanken abwenden zu können.

Zwischen den Anfällen setzt der Kopfschmerzexperte auf Entspannung. „Meine Patienten lernen Muskelrelaxation nach Jakobson, um Migräne vorzubeugen. Sie sollen während des Tages regelmäßig Pausen einlegen und mindestens zwei Liter Flüssigkeit pro Tag trinken.“ Zusammen mit vorbeugenden Medikamenten potenzieren sich die positiven Effekte für die Betroffenen, wie das Team des Kopfschmerzzentrums beobachten konnten. Das verbreitete Kopfschmerztagebuch führen seine Patienten auch, allerdings als kopfschmerzfreies Tagebuch. „Das alleine wirkt schon super!“, betont Kropp.

Für Patienten, bei denen keines der klassischen Migränemedikamente Abhilfe schafft, gibt es eine Antikörpertherapie, bei der spezifische Signalwege blockiert werden. Mehr als die Hälfte der damit Behandelten bleiben über mehrere Wochen symptomfrei. Sie vergessen ihre Migräne, was einen großen psychologischen Effekt hat. „Das System im Kopf kühlt ab und das Schmerzgedächtnis wird kleiner. Das ist eine ungeheure Erleichterung“, so Kropp. Er weist auch darauf hin, dass Migränepatienten besonders sensitive Menschen seien, die stark auf Reize reagieren. „Migränepatienten wollen oft perfekt sein und sind die besseren Problemlöser. Das scheint das Gehirn immer wieder zu überlasten“, vermutet er. Im Migräneanfall erholt sich das Hirn dann fast zwangsweise. Die Behandlungsmethoden im Kopfschmerzzentrum zielen darauf ab, diese Überlastung zu mindern und die Abstände zwischen den Migräneanfällen zu vergrößern.

Kontakt zum Kopfschmerzzentrum Nord-Ost:

Gehlsheimer Str. 20, 18147 Rostock
Tel: 0381 494 9588, Fax: 0381 494 9798
E-Mail: kopfschmerz@med.uni-rostock.de