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Nach schwerem Treppensturz: David Sempf findet zurück ins Leben

22. May 2019

Melanie und David schätzen jeden Tag, den sie einander haben.

Intensivmediziner kämpfen jeden Tag um Menschenleben

Rostock - David Sempf (43) ist ein Wunder widerfahren – davon ist seine Frau Melanie (40) überzeugt. Als es längst aussichtslos schien, haben die Intensivmediziner der Unimedizin Rostock den jungen Familienvater zurück ins Leben geholt. Nach einem Sturz erlitt der Familienvater ein schweres Schädel-Hirn-Trauma. Die Verletzung war so massiv, dass die Überlebenschancen verschwindend gering waren. „Die Ärzte hatten wenig Hoffnung, dass mein Mann den Unfall überleben würde“, erinnert sich Melanie. Mittlerweile ist der Unfall ein halbes Jahr her. Viele Stunden des Bangens und der Verzweiflung liegen hinter der jungen Mutter. Dass Melanie ihren Mann wieder in die Arme schließen kann, ist für sie an manchen Tagen noch schwer zu begreifen. „Ich bin den Ärzten und Pflegekräften der Unimedizin Rostock unendlich dankbar, sie haben alles Menschenmögliche getan, damit David wieder bei mir sein kann“, sagt sie unter Tränen.

Schwerkranke oder verunfallte Patienten haben dank modernster Intensivmedizin die Chance auf ein fast normales Leben. Das wollen der Berufsverband Deutscher Anästhesisten e. V. und die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e.V. aufzeigen und haben deswegen die Kampagne „Zurück ins Leben“ gestartet. „Wir wollen die Bevölkerung sensibilisieren, dass wir schwerkranken Menschen helfen und keine abstrakte Apparatemedizin betreiben“, sagt Prof. Dr. Tobias Schürholz, Leiter der Perioperativen Intensivstation der Unimedizin Rostock. David Sempf haben die Ärzte und Pflegekräfte das Leben gerettet.  „Es ist für uns besonders schön zu erleben, wenn unsere Patienten den Weg zurück in ein annähernd normales Leben finden“, ergänzt er.

Melanie erinnert sich noch genau an den schicksalhaften Tag: Es war der 17. November 2018. David hatte der elfjährigen Tochter ein neues Bett gekauft und wollte es in ihrem Kinderzimmer im ersten Stock aufbauen. Mit dem Lattenrost unter dem Arm stieg der 43-Jährige die Treppe hoch. Kurz vor der obersten Stufe trat er ins Leere und verlor den Halt. Er stürzte rückwärts die Treppe hinunter und schlug sich den Kopf an einem Küchenregal auf. David verlor dabei das Bewusstsein. Drei Wochen sollten vergehen, bis der junge Mann wieder die Augen aufschlägt. Drei Wochen, in denen Melanie um das Leben ihres Mannes bangte. „Unsere Familie war in einem absoluten Ausnahmezustand“, erinnert sie sich. Während David mit dem Rettungshubschrauber in die Unimedizin Rostock gebracht wurde, blieb sie auf Anraten des Notarztes mit drei Kindern, darunter einem Säugling, zu Hause zurück. Gefühlt unendlich viele Stunden vergingen, bis der erste Anruf aus dem Krankenhaus kam. David schwebte in Lebensgefahr. Er hatte starke Blutungen im Gehirn und mehrere Knochenbrüche im Gesicht. Trotz Operationen stieg der Hirndruck immer weiter an. Die Ärzte legten den Familienvater ins künstliche Koma. Es hieß: warten.

„Jeden Tag habe ich zusammen mit meinen Schwiegereltern am Krankenbett meines Mannes gesessen und gehofft, dass sich sein Zustand verbessert“, sagt Melanie. Doch der Hirndruck blieb gefährlich hoch. Während einer Untersuchung im MRT (Magnetresonanztomograph) geschah dann das Furchtbare: David erlitt einen Herzstillstand. Sein Leben hing am seidenen Faden. Die Ärzte konnten ihn durch Wiederbelebung zurückholen. Sein Zustand war aber weiterhin kritisch. „Die Ärzte waren sehr ehrlich zu mir, das war furchtbar hart, rückblickend aber richtig“, sagt seine Ehefrau. Es sei unwahrscheinlich, dass er wieder aufwache, und wenn, sei er höchstwahrscheinlich ein schwerer Pflegefall und nicht mehr der Mann, den sie so sehr liebt. Melanie konnte nicht wahrhaben, dass sie sich langsam von ihrem Mann verabschieden sollte. Begriffe wie Geräte-Abschalten und Organspende waren für sie unerträglich: „Wir waren so glücklich und es konnte doch nicht sein, dass ein einziger Unfall unsere ganze Familie zerstört.“

Ein letzter Eingriff sollte über Leben und Tod von David Sempf entscheiden – und er gelang. Der Hirndruck sank und es stellte sich heraus, dass das Gehirn verhältnismäßig geringe Schäden davongetragen hatte. Es geschah das Unglaubliche: Schon nach wenigen Tagen öffnete der 43-Jährige die Augen. „Es war unglaublich, er hat mich sogar wiedererkannt – das konnte er mir über die Augen signalisieren“, freut sie sich. Was die Ärzte kaum für möglich gehalten hatten, trat nun ein: Innerhalb weniger Tage erholte sich David soweit, dass er in die Reha konnte. Sprechen und gehen hat er neu gelernt und ist mittlerweile zu Hause. „Ich habe nur noch ein paar kleinere Einschränkungen, kann meinen rechten Fuß noch nicht so gut heben und bin seelisch etwas dünnhäutiger“, sagt er. Bis er seinen Beruf als Lokführer wieder antreten kann, wird wohl noch einige Zeit vergehen. Dass es klappt, davon ist er felsenfest überzeugt: „Ich möchte unbedingt wieder in die Lok und das werde ich auch schaffen.“ Für seine Frau ist das allerdings zweitrangig. Sie ist froh, ihren Mann fast gesund zurück zu haben. Auch David ist glücklich, dass er seine Töchter, insbesondere die kleine Henriette mit ihren gerade einmal zehn Monaten, aufwachsen sehen wird.

Nur langsam kehrt für die kleine Familie der Alltag wieder zurück. „Die Treppe ist für uns ein großes Thema“, so die 40-Jährige. Die wollen sie irgendwann umbauen und sicherer machen. Um das Geschehene zu verarbeiten, sind Melanie und die älteste Tochter in psychologischer Behandlung. Jeden Tag, den David im Koma lag, hat Melanie Tagebuch geführt. Irgendwann, wenn sie die Kraft dazu findet, wird sie es wieder in die Hand nehmen können und mit ihrem Mann lesen. „Wir sind glücklich, das alles so gut ausgegangen ist und schätzen jeden Tag, den wir gemeinsam verbringen können“, sagt Melanie und weiß, dass längst nicht jeder so viel Glück hat. Sie wünscht allen Menschen, die ein ähnlich schlimmes Schicksal erleiden, ganz viel Kraft. „Die Ärzte und Pflegekräfte auf der Intensivstation leisten jeden Tag Übermenschliches und bleiben dabei immer menschlich zu den Angehörigen, dafür möchte ich ihnen danken.“