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Neurochirurgin mit ambitioniertem Ziel

16. April 2019

Eigenes Krankenhaus zur Behandlung schwerkranker Kinder

Rostock – Dr. Maryam Sherman wird künftig eine der ersten weitergebildeten Neurochirurginnen in ganz Ostafrika sein. Die 39-jährige Kenianerin absolviert gerade ihre Ausbildung zur Fachärztin in Neurochirurgie an der Universitätsmedizin Rostock. In ihrer Heimat bekommen Frauen nicht die Möglichkeit, sich mit einer Facharztausbildung weiter zu qualifizieren. Grundsätzlich sind Neurochirurgen - insbesondere Kinderneurochirurgen - in Kenia absolute Mangelware. Die wenigen Spezialisten, die es dort in nur einem Krankenhaus in Kijabe nahe Nairobi gibt, behandeln Patienten aus ganz Ostafrika. Gerade einmal 1200 Patienten können dort jährlich behandelt werden – über 95 Prozent davon sind Kinder mit einem offenen Rücken.

Dieser extreme Mangel an Fachkräften war für Maryam Sherman der ausschlaggebende Grund, sich im Ausland zu spezialisieren. „Ich möchte den Menschen in Kenia helfen, ihnen etwas zurückgeben. Die Kranken sollen die medizinische Behandlung bekommen, die sie dringend benötigen“, sagt sie. Ihr großer Plan: Ein eigenes Krankenhaus am Rande des Tsavo-Naturschutzgebietes zwischen Nairobi und Mombasa. Nach ihrer Facharztausbildung und anschließender Weiterbildung zur Kinderneurochirurgin will sie zurück in ihre Heimat gehen. „Mit Unterstützung von internationalen Förderern möchte ich ein Krankenhaus aufbauen und mein Wissen an die Ärzte in Kenia weitergeben“, so die 39-Jährige. Sie ist überzeugt und voller Hoffnung, dass das Projekt bald Wirklichkeit wird. Dafür hat sie ihr Privatleben hintenangestellt und legt ihre gesamte Kraft und Motivation in die eigene medizinische Ausbildung.

In Mombasa geboren, ging die junge Frau nach dem Abitur mit gerade einmal 18 Jahren nach Ungarn. An der Semmelweis-Universität in Budapest (Ungarn) studierte sie Medizin und promovierte dort als erste Frau in der Chirurgie. Berufliche Erfahrungen sammelte sie unter anderem in der Allgemein- und Unfallchirurgie sowie in der Neurologie und Pädiatrie in Ungarn und Kenia. Außerdem engagierte sich Sherman in Ungarn als medizinische Beraterin für Patientensicherheit. Zudem war sie für rund drei Jahre als Nachwuchswissenschaftlerin an der Universität von South Carolina in Charleston (USA) tätig. „Ich habe dann die ideale Stelle gesucht, wo ich mich als Chirurgin weiterbilden kann“, erinnert sich die Kenianerin. Daher ging sie nach Schweden und Norwegen, wo sie auch ihre Approbationen erlangte, doch da war es ihr zu kalt. In Deutschland fand sie dann die besten Bedingungen für ihre Weiterbildung. Die Recherche führte sie zuerst nach Deutschland in das St. Josef Hospital in Bad Driburg. Innerhalb von nur drei Monaten musste sie sich umfassende Deutschkenntnisse aneignen, um als Ärztin in Deutschland praktizieren zu dürfen. „Das war sehr hart, denn ich konnte vorher überhaupt kein Deutsch, ich habe das Lehrbuch förmlich aufgesogen“, sagt sie. Ihre Facharztausbildung zur Neurochirurgin begann sie anschließend in Lünen.

Einer Empfehlung des damaligen leitenden Oberarztes Dr. Samir Kazkaz ist es zu verdanken, dass sie sich 2015 bei Prof. Dr. Jürgen Piek, dem Chef der Neurochirurgie in Rostock vorstellen durfte. „Die vergangenen Jahre habe ich sehr viel bei ihm lernen dürfen“, sagt sie. Ende März verabschiedete sich Piek in den Ruhestand. Der erfahrene und international angesehene Neurochirurg hat 15 Jahre lang die Abteilung an der Rostocker Universitätsmedizin geleitet und er ist Ehrenmitglied der rumänischen Gesellschaft für Neurochirurgie. „Ich habe Prof. Piek als einen sehr fairen und freundlichen Menschen kennengelernt, der mir auch viel Vertrauen entgegengebracht hat“, resümiert die angehende Fachärztin. Viele Möglichkeiten habe er ihr geboten, ihre Technik beim Operieren zu verbessern, sich ständig weiterzubilden und auch Erfahrungen beim Unterrichten der Medizinstudenten in Theorie und Praxis zu sammeln. „Prof. Piek ist ein sehr feiner und geduldiger Operateur und ich bin stolz darauf, dass ich in seinem Team ausgebildet werde“, so Sherman. Außerdem hat sie für eins seiner Fachbücher drei Kapitel beisteuern dürfen. Auch beim Ärzte- und Pflegeteam der Neurochirurgie hat sich Maryam Sherman immer gut aufgehoben gefühlt „Wir halten zusammen, das ist einfach ein schönes Gefühl.“

Ganz besonders freut sie sich darüber, dass Jürgen Piek ihr eine Hospitation bei der international anerkannten Kinderneurochirurgin Prof. Dr. Martina Messing-Jünger in der Asklepios Klinik St. Augustin in Nordrhein-Westfalen ermöglicht hat. Die dort erlangten Kenntnisse möchte Maryam Sherman dafür nutzen, um ihre chirurgische Klinik in Kenia aufzubauen und ihr Wissen an die heimischen Ärzte weiterzugeben. Der enge Kontakt zu deutschen Operateuren soll dabei bestehen bleiben. „Ich möchte später einmal deutsche Ärzte nach Kenia zum Wissens- und Erfahrungsaustausch einladen“, so die 39-Jährige.

Jedes Jahr fährt Sherman nach Kenia, packt freiwillig in örtlichen Krankenhäusern mit an und zeigt den einheimischen Unfall- und Allgemeinchirurgen neue Techniken und Behandlungsmethoden. Um ihren ambitionierten Plan vom eigenen Krankenhaus in die Tat umsetzen zu können, knüpft die junge Frau fleißig internationale Kontakte und ist weiter auf der Suche nach Förderern. Dafür lernt sie zur Zeit Japanisch, Schwedisch und Russisch. Neben Deutsch beherrscht sie außerdem Englisch, Swahili, Arabisch und Ungarisch. Die vielen Sprachen spricht und lernt sie, um später mit Organisationen vertrauensvoll ins Gespräch kommen zu können. Ihre kleine Leidenschaft ist außerdem die Tüftelei. „Ich bin sehr daran interessiert, wissenschaftliche Instrumente zu entwickeln, die in Zukunft in der Medizin, vor allem in Ländern der Dritten Welt, benutzt werden können.“