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Rostocker Forschungen an Grundlagen und Therapie von Parkinson

10. November 2023
Eine Frau im weißen Kittel sitzt an einer Laborbank und hält eine Pipette in der Hand.

Die Bilder zeigen die Neurologin Dr. med. Mareike Fauser bei der Laborarbeit mit Zellkulturen. (Copyright: Universität Rostock/Joachim Mangler)

Von der Parkinson-Erkrankung sind Schätzungen der Deutschen Gesellschaft für Parkinson und Bewegungsstörungen zufolge in Deutschland rund 400 000 Menschen betroffen. Sie ist damit die häufigste Bewegungsstörung. Es ist eines der Ziele des Sonderforschungsbereichs 1270 „ELektrisch Aktive ImplaNtatE – ELAINE“ der Universität Rostock, Erkenntnisse zu dieser Krankheit und deren Therapie zu gewinnen.

Obwohl weltweit Tausende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Parkinson-Erkrankung erforschen, ist ein Durchbruch bei der Ursachenbehandlung kaum in Sicht. „Es gibt Medikamente, mit denen sich die Symptome, unter anderem das unkontrollierbare Zittern, steife Muskeln oder verlangsamte Bewegungen recht gut behandeln lassen. Allerdings wurden in den vergangenen Jahren wenig durchgreifende Innovationen erzielt“, sagt die Neurologin Dr. med. Mareike Fauser von der Universitätsmedizin Rostock.

Immer wieder gab es in der Vergangenheit Ansätze, schwer betroffenen Patienten durch die Transplantation von Stammzellen ins Gehirn zu helfen, bislang jedoch ohne durchschlagenden Erfolg. Da auch das Gehirn des Erwachsenen noch über Stammzellen verfügt, untersuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Rostocker Sonderforschungsbereichs 1270 „ELektrisch Aktive ImplaNtatE – ELAINE“ nun, eine mögliche Beeinflussung dieser Stammzellen durch elektrische Signale zu erreichen. „Solche Versuche müssen natürlich zuerst im Labor und in der Kulturschale erfolgen“, sagte Fauser.

„Eine Möglichkeit, elektrische Signale auch bei Patienten anzuwenden, ist die sogenannte Tiefe Hirnstimulation, die bei der Behandlung von Parkinson bereits seit mehreren Jahrzehnten eingesetzt wird“, sagt Fauser. Bei diesem Verfahren werden durch einen neurochirurgischen Eingriff Elektroden in eine bestimmte Hirnregion, meist den Nucleus subthalamicus, eingeführt. Zusätzlich erhält der Patient einen Impulsgeber, der ähnlich eines Herzschrittmachers unterhalb des Schlüsselbeins eingesetzt wird. Durch die elektrischen Signale könnten damit verschiedene Symptome der Parkinson-Erkrankung verringert werden, berichtet Fauser. In letzter Zeit konnte durch andere Forschungsgruppen bereits gezeigt werden, dass nicht nur die sogenannten motorischen Symptome, wie das Zittern, schlechtes Gehen oder die Muskelsteifigkeit durch die Tiefe Hirnstimulation gebessert werden, sondern auch sogenannte nicht-motorische Symptome wie Depressionen, Riech- und andere kognitive Störungen sowie auch die Demenz.

„Unsere Arbeit setzt im Moment natürlich noch nicht bei den Patientinnen und Patienten an. Wir untersuchen Stammzellen zunächst in Zellkulturen, wie sie auf elektrische Impulse reagieren“, berichtet Fauser. Fragestellungen seien beispielsweise, ob die neuronalen Stammzellen nach der Stimulation mehr oder weniger Neurone bilden und wie sich die Zellen auf unterschiedlich leitenden Oberflächen verhalten.

Hintergrund dieser Forschungen sei, dass nach einer Tiefen Hirnstimulation manche motorischen Störungen wie die Unfähigkeit zu gehen innerhalb sehr kurzer Zeit gebessert werden. Sie treten aber auch rasch wieder auf, wenn die elektrische Stimulation wegfällt. „Bei den nicht-motorischen Störungen dauert diese Zeitspanne sehr viel länger und kann sich über Tage oder Wochen hinziehen“, berichtet Fauser. Hier sehen die Forscherinnen und Forscher einen möglichen Zusammenhang mit Stammzellen. So sei bekannt, dass Stammzellen beim Riechen eine wichtige Rolle spielen. „Sie bilden neue Nervenzellen und dadurch können wir neue Gerüche lernen“, sagt die Neurologin.

Zusätzlich werden die gewonnenen Erkenntnisse für Computersimulationen verwendet, sodass in Zukunft möglicherweise keine Experimente in der Petrischale mehr benötigt werden. „Außerdem würden wir gerne die Anwendung der Tiefen Hirnstimulation weiter verbessern“, betont Fauser abschließend.

Hintergrund Sonderforschungsbereich 1270 ELAINE
An dem 2017 gestarteten Sonderforschungsbereich 1270 ELAINE, der sich aktuell in der zweiten Förderperiode befindet, sind neben der Universität und der Universitätsmedizin Rostock die Universitäten Greifswald, Leipzig und Erlangen sowie die Hochschule Wismar beteiligt. Ein Team aus mehr als 80 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Fakultäten hauptsächlich in Rostock arbeitet am Einsatz von elektrisch aktiven Implantaten. Diese Implantate sollen unter anderem bei der Regeneration von Knochen- und Knorpelgewebe eingesetzt werden und Zellen zum Wachstum und zur Differenzierung anregen. Im SFB 1270 ELAINE wird zudem die Tiefe Hirnstimulation zur Therapie etwa der Parkinson-Erkrankung oder Dystonie erforscht.

Der Sonderforschungsbereich gilt als eines der Leuchtturmprojekte in der Wissenschaftslandschaft von Mecklenburg-Vorpommern. Die Forschungen laufen nach Angaben der Leiterin von ELAINE, der Elektrotechnikerin Prof. Ursula van Rienen, sehr erfolgreich. Die Förderung seitens der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) beträgt in der ersten und zweiten Förderperiode rund 24,1 Millionen Euro inklusive der Programmpauschale. Die Universität und Universitätsmedizin Rostock unterstützen das Projekt seit 2017. Bis Ende 2025 werde sich die Förderung auf 2,3 Millionen Euro belaufen. Im Jahr 2025 soll die dritte und damit letzte Förderperiode beginnen.

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