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„Smarte Hüfte“: Forscher werben millionenschweres EU-Projekt ein

08. October 2014

Forscher der Unimedizin haben ein gewichtiges Projekt an Land gezogen. Dank EU-Geldern tüfteln sie nun zwei Jahre lang intensiv an einer intelligenten Hüftprothese.

Ganz nah an der Praxis: „SmartHip“ (Smarte Hüfte) heißt ein mit 1,5 Millionen Euro gefördertes EU-Projekt, das das Forschungslabor FORBIOMIT der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der Universitätsmedizin Rostock eingeworben hat. In den kommenden zwei Jahren arbeiten Wissenschaftler und Industriepartner aus fünf verschiedenen europäischen Ländern an einer intelligenten Hüftendoprothese. Über ein völlig neues Diagnoseverfahren soll früh und genau erkennbar sein, ob sich ein Implantat im Laufe der Jahre gelockert hat. „Wechseloperationen sind zu 50 bis 70 Prozent notwendig, weil sich beim Patienten das Implantat gelockert hat“, berichtet Projektleiter Dr. Daniel Klüß, der mit Mitstreitern in Rostock am neuen Medizinprodukt tüfteln wird. Das betreffe Hüften, Schultern, Knie – „die großen Gelenke“.

Sensoren in der Endoprothese selbst zu platzieren, sei keine Option gewesen, erzählt der Forscher von den Vorüberlegungen. „Unsere Industriepartner wollten möglichst wenig Veränderung an den bestehenden Produkten.“ Stattdessen haben sich die Rostocker und ihre Kollegen auf eine andere Variante verlegt: Sie platzieren in der Hüftendoprothese eine Kugel, die sich frei schwingend in einem Hohlzylinder befindet. „Das Ganze wird dicht abgeschossen, sodass keine Körperflüssigkeit eindringen kann“, beschreibt Klüß. Wenn man nun zur Untersuchung auf die Verankerung von außen eine Spule an die Hüfte hält, entsteht ein höherfrequentes magnetisches Wechselfeld; die Kugel wird angezogen. „Prallt sie gegen die Implantat-Innenwand, gibt das ein Geräusch.“ Je nachdem, wie das dann klinge, könne beurteilt werden, wie gut das Implantat eingewachsen sei. „Ein helles Geräusch bedeutet locker, ein dumpfer Klang fest“, bringt es Dr. Klüß auf den Punkt. Bei der Analyse hilft ein Mikrophon, das außen am Bein platziert wird. In fünf Jahren, so schätzt Klüß, könnte das intelligente Hüftimplantat marktreif sein. An einem neuen Prüfstand im Forschungslabor an der Doberaner Straße nimmt das Rostocker Team nun experimentelle Tests mit Kugel und Magnetspule vor. Außerdem kommt eine rechnergestützte akustische Simulation des Implantat-Gewebe-Verbunds zum Einsatz.

Bei dem Forschungsprojekt gehe es nicht um die Bekämpfung der Lockerung, sondern darum, das Problem festzustellen – eine Diagnosemöglichkeit, sagt der stellvertretende Laborleiter. „Bisher war eine Lockerung hauptsächlich über Röntgenbilder zu beurteilen, und das sehr schwer.“

Ein Treffen des Projektkonsortiums aus Deutschen, Italienern, Schweizern, Portugiesen und Esten fand kürzlich in Rostock statt. Die Projektpartner waren vom Standort an der Ostsee begeistert. Anfang 2015 müssen die Wissenschaftler in Brüssel vorsprechen – und den Zwischenstand ihrer Arbeiten der Europäischen Kommission präsentieren.