Aktuelles

Verbrechen an psychisch kranken und behinderten Menschen: Forschungsgruppe arbeitet die so genannte Euthanasie der Nazis in Mecklenburg-Vorpommern auf

08. October 2008

Mehr als 60 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus sind noch nicht alle Verbrechen der faschistischen Diktatur aufgeklärt.

Eine Arbeitsgruppe aus Medizinern und Historikern der Universität Rostock beschäftigt sich derzeit mit der Aufarbeitung der so genannten Euthanasie in Mecklenburg-Vorpommern, speziell mit der Beteiligung der Rostocker Nervenklinik an der systematischen Tötung von Patienten zwischen 1933 und 1945.

 

„Die Zeit des Nationalsozialismus lastet noch immer auf der deutschen Psychiatrie“, sagt Dr. Ekkehardt Kumbier von der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Uniklinikum Rostock. Der Mediziner befasst sich seit Jahren mit der Geschichte der Rostocker Psychiatrie – insbesondere mit der so genannten Euthanasie in der Hitlerdiktatur. In jener Zeit wurden in Deutschland mehr als 400.000 Menschen zwangssterilisiert, zwischen 1940 und 1945 wurden 70.000 psychisch kranke und behinderte Menschen systematisch getötet.

 

Auch aus der Rostocker Nervenklinik wurden Patienten abtransportiert. Wie viele von ihnen umgebracht wurden, muss noch untersucht werden. „Wir wissen von 20 Fällen, in denen Menschen von Rostock nach Sachsenberg bei Schwerin verlegt und weiter zur Tötung in ein Lager nach Bernburg gebracht wurden“, sagt Dr. Kumbier. Das Problem der Rostocker Forscher ist die schlechte Aktenlage: „Die Krankenakten aus dieser Zeit wurden vernichtet“, so Kumbier. Als Quelle dienen in erster Linie Akten, die im Archiv der Staatssicherheit der DDR gefunden wurden und in denen Hinweise auf die Tötung von Patienten aus Rostock gefunden wurden. Für Hinweise aus der Bevölkerung sind die Forscher deshalb dankbar.

 

Ziel der Arbeit der AG Geschichte der Nervenheilkunde an der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Rostock ist die möglichst genaue Rekonstruktion der Ereignisse an der Universitätsnervenklinik Rostock-Gehlsheim zwischen 1933 und 1945. Dafür werden die Euthanasiepatientenakten des Bundesarchivs in Berlin sowie die Akten von sechs Tötungsanstalten untersucht. Ausgewertet werden außerdem die noch vorhandenen Aufnahmebücher aus Rostock sowie die ebenfalls erhaltenen Diagnosekarten. „Wir wollen individuelle Lebens- und Leidensgeschichten herausarbeiten und die Rolle von Medizinern in der Rostocker Nervenheilkunde beleuchten“, so Dr. Kumbier.