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Wie Coronaviren ins menschliche Gehirn gelangen

04. August 2020
Prof. Martin Witt untersucht Gewebeproben verstorbener Corona-Patienten

Prof. Martin Witt untersucht Gewebeproben verstorbener Corona-Patienten

Internationales Forscherteam untersucht Einfluss auf Riechorgan

Als Symptom für eine Corona-Infektion ist immer wieder die Rede von einem gestörten Geruchssinn. Wissenschaftler der Universitätsmedizin Rostock wollen daher gemeinsam mit Kollegen aus Zürich und Dresden überprüfen, welche Schäden Covid-19 an der Riechschleimhaut des Menschen anrichtet.

Bereits im Mai dieses Jahres hatte ein Verbund aus mehr als 600 Wissenschaftlern belegt, dass eine Corona-Infektion mit dem Verlust der Fähigkeit zum Riechen und Schmecken einhergeht. Auf der Suche nach den Ursachen dafür ist ein internationales Wissenschaftlerteam jetzt einen entscheidenden Schritt weitergekommen: Die Autopsie von zwei Patienten (beide männlich, 70 und 79 Jahre alt) am Universitätsklinikum Zürich unter Leitung von Dr. Karl Frontzek offenbarte eine massive Entzündungsreaktion in der Riechschleimhaut der Verstorbenen. In beiden Gewebeproben wurde eine hohe Konzentration an weißen Blutkörperchen nachgewiesen, mit denen der Körper auf das Virus reagiert hatte. „Damit scheint sich zu bewahrheiten, dass die Viren den Riechnerv angreifen“, sagt Prof. Martin Witt, stellvertretender Direktor des Instituts für Anatomie der Rostocker Unimedizin, der die Zürcher Beobachtungen begleitet hat. „Betroffen ist nicht nur die Riechschleimhaut, sondern auch die Riechnerven, die direkt ins Gehirn führen.“

Das Coronavirus könnte, ähnlich wie Influenza- oder Polioviren, Nervenbahnen nutzen, um seinen Weg in das menschliche Gehirn zu finden. Es umgeht damit die Blut-Hirn-Schranke, die das Gehirn vor Schadstoffen und Krankheitserregern schützen soll. Wie das Virus dabei genau vorgeht und ob neben der Riechschleimhaut auch der Riechkolben im Gehirn betroffen ist, will Anatom Witt nun gemeinsam mit Prof. Thomas Hummel von der TU Dresden herausfinden. Sie untersuchen Gewebeproben von zwei Patienten, die in Sachsen mit einer Corona-Infektion verstorben sind.

Mittlerweile gibt es zahlreiche Studien und Fallberichte, die die neurologischen Begleiterscheinungen bei Covid-19-Patienten beschreiben. Neben Geruchs- und Geschmacksstörungen ist auch wiederholt von diffusen Hirnschädigungen die Rede. Auffallend sei, dass die neurologischen Symptome oft anhaltend sind, was die medizinische Langzeitversorgung von Betroffenen vor besondere Herausforderungen stelle, so Prof. Peter Berlit, Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Neurologie.

Die Studie wurde jetzt im Fachblatt Lancet veröffentlicht und ist hier einsehbar.