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Kurdische Ärzte: Rostock stand auf der Wunschliste ganz oben

07. March 2014

Nuha Abubaker macht am Wochenende an der Hand ihres Vaters die ersten Gehversuche – Zentimeter für Zentimeter erobert sich das anderthalbjährige Mädchen die Welt. Ihr Vater Saifullah Abubaker hat schon wesentlich größere Schritte bewältigt: Der 27-jährige Arzt arbeitet seit kurzem an der Klinik für Herzchirurgie an der Universitätsmedizin Rostock und möchte seinen Facharzt machen. Er und sein Freund und Studienkollege Haval Sadraddin haben sich aus dem Irak aufgemacht, um in Deutschland ihr Fachwissen zu erweitern. Die beiden Kurden stammen aus Arbil – der Hauptstadt der Autonomen Region Kurdistan im Irak. Nach ihrem Medizinstudium hatten sie vier Jahre lang in ihrer Heimat gearbeitet. „Vor 30 Jahren war die Chirurgie bei uns gut. Aber durch die Kriegsjahre ist alles medizinische Know-how verloren gegangen“, erzählt der 28-jährige Sadraddin. Herztransplantationen zum Beispiel sind in seiner Heimat unmöglich. Sowohl seine Mutter als auch sein Vater sind herzkrank. Anlass für den Nachwuchsmediziner, die Qualifizierung im Ausland zu versuchen. Und nach der Internetrecherche stand Rostock auf der Wunschliste der beiden Kurden. „Es war nicht leicht, ein Visum zu bekommen“, erinnert sich der kräftige Mann, der in seiner Freizeit gern Fußball spielt. Aber auf einem Kongress in Berlin im Dezember 2012 lernten sie Prof. Gustav Steinhoff kennen, der ihnen den Weg nach Rostock ebnete. „Im Hinblick auf den Ärztemangel bei uns können wir kompetente Ärzte aus dem Ausland brauchen. Aber es steht uns auch gut zu Gesicht, hier Spitzenkräfte für ihre Heimatländer auszubilden“, sagt der Direktor der Klinik und Poliklinik für Herzchirurgie der Universitätsmedizin Rostock. Nun liegen fast sechs Monate Intensivkurs in Deutsch hinter ihnen. „Es ist unabdingbar, dass sie sehr gut Deutsch sprechen, damit die Arzt-Patienten-Kommunikation funktioniert“, so der Herzchirurg. Sadraddin träumt davon, später in seiner Heimat die erste Herztransplantation vorzunehmen. Auch Forschung und Lehre reizen ihn sehr. Er hofft, dass seine Heimatstadt Arbil dann mit der Universität Rostock kooperieren wird. Abubaker ist über die Arbeit als Notarzt zur Herzchirurgie gekommen: „Es ist ein tolles Gefühl, Menschen zu helfen, die zwischen Leben und Tod schweben“, sagt der Familienvater, der in seiner Heimat auch als Kung-Fu-Trainer aktiv war. Er weiß noch nicht genau, wie seine Zukunft aussehen wird. Vielleicht bleibt er auch in Deutschland. Seine Frau, ebenfalls Ärztin, ist noch dabei, beruflich in der Hansestadt Fuß zu fassen. Erst mal sucht er händeringend eine Wohnung für seine kleine Familie - im Gegensatz zu vielen anderen Dingen scheint das in Rostock schier unmöglich zu sein.