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Rostocker Forscher entwickeln Vorhersage-Modell für Aneurysmen

04. February 2021
Carolin Wüstenhagen steht vor einem MRT

Carolin Wüstenhagen mit dem Aneurysmamodell vor dem Magnetresonanztomographen am Lehrstuhl für Strömungsmechanik. (Foto: Universität Rostock/Julia Tetzke).

Warum ein solches Aneurysma platzt, ist Gegenstand einer aktuellen Forschung an der Universität Rostock

Ein Aneurysma ist eine unsichtbare Aussackung eines Blutgefäßes, die zum Tode führen kann. Wenn betroffene Menschen es merken, ist es oft schon zu spät. Warum ein solches Aneurysma platzt, ist Gegenstand einer aktuellen Forschung an der Universität Rostock. Hauptakteure sind die junge Technomathematikerin Carolin Wüstenhagen vom Lehrstuhl für Strömungsmechanik der Fakultät für Maschinenbau und Schiffstechnik und Radiologe Professor Sönke Langner von der Universitätsmedizin Rostock. Ein passendes Gespann. Die seltene Profession der 29-jährigen Forscherin, die im Nebenfach Maschinenbau studierte, ist es, mit ihrem Spezialwissen mathematische Probleme für die Strömungsmechanik zu lösen. Dabei hilft ein MRT, das seit über zwei Jahren am Lehrstuhl für Strömungsmechanik steht.

Die Fakultät ist die erste Maschinenbaufakultät in Deutschland, die mit einem eigenen Magnetresonanztomographen (MRT) ingenieurwissenschaftliche Forschung betreibt. Das Gerät ist als äußerst vielseitiges Messgerät angeschafft worden. Neben der Bearbeitung ingenieurwissenschaftlicher Forschungsfragen wird mit dem MRT-Labor im Maschinenbau zudem medizinische Forschung ermöglicht. „Dadurch haben wir in Rostock die Chance, Diagnosemöglichkeiten weiter zu verbessern und Behandlungen zu unterstützen“, sagt der Leiter des Lehrstuhls, Professor Sven Grundmann. Denn: die Strömungsmechanik ist ein facettenreiches ingenieurwissenschaftliches Forschungsgebiet, das auch für die Medizin Lösungen liefern kann. Und nun wird eine für die zielgerichtete Behandlung von Aneurysmen in Gehirnen gesucht. „Wir haben gemeinsam mit dem Team von Professor Grundmann ein Hirn-Aneurysma-Modell entwickelt, bei dem das Aneurysma maßstabsgetreu erheblich vergrößert wird, aber alle anderen strömungsmechanischen Eigenschaften erhalten bleiben“, sagt Professor Langner. „Dadurch können wir jetzt in dem MRT die Hämodynamik im Aneurysma, also die Eigenschaften des Blutflusses, exakt messen und dann aus diesen Werten die Kräfte berechnen, die auf die Aneurysmawand wirken“. „Eine vielversprechende Aussicht für große Fortschritte in der Medizin“, ist der Professor optimistisch.

„Dabei mitzuhelfen, das motiviert“, sagt die gebürtige Parchimerin Carolin Wüstenhagen, die beim SV Warnemünde Volleyball spielt und mit Leidenschaft an der Universität forscht. Nach individuellen Patientendaten baut Carolin Wüstenhagen mit Akribie Kunststoffmodelle. Das geschieht in einem sogenannten Sinterverfahren. Dabei wird Kunststoffpulver mit Hilfe eines Lasers geschmolzen, so, dass ein vergrößertes Modell entsteht. Das werde im MRT mit Wasser durchströmt, um herauszufinden, wie es sich verhält und verändert, wenn verschiedene Implantate eingesetzt werden. „Es ist spannend im medizinisch-technischen Bereich zu arbeiten“, sagt Carolin Wüstenhagen. Ziel sei es, eine Art Vorhersage-Modell zu entwickeln, mit dem man voraussagen könne, ob und wann ein Aneurysma platzt, um so die Behandlung von Patienten entscheidend zu verbessern. Zum anderen gehe es um die Frage nach der Therapie. „In der Mehrzahl der Fälle wird heute ein Aneurysma mit einem schmalen Schlauch, also einem Katheter, von der Leiste aus über das Gefäß versorgt. Dabei werden in der Regel ganz dünne und zarte Platin-Fäden (sog. Coils) in das Aneurysma eingebracht“, erklärt Professor Langner. Manchmal sind es auch sogenannte Stents oder Flow Diverter, kurzum Gefäßwandstützen. „Durch das in Kooperation mit Professor Grundmann entwickelte Modell und die Möglichkeit der Strömungsmessung können wir die Effekte der eingebrachten Implantate auf die Hämodynamik direkt messen. Dafür haben wir auch skalierte Implantate entwickelt“, sagt Professor Langner. „Wir erhoffen uns so, Daten gewinnen zu können, die den Weg zeigen, wie ein Aneurysma noch schneller und sicherer versorgt werden kann“. Carolin Wüstenhagen arbeitet  zusammen mit Studierenden an dem Aneurysma.

Um die vielversprechende Arbeiten an den Aneurysmen weiterzuführen fehlt dem Lehrstuhl für Strömungsmechanik noch ein Industriepartner. Dass der bald gefunden wird, hoffen die Akteure.